Aachener Weiher

von Ines

Dafür, dass ich Euch immer wieder Vorträge darüber halte, dass ihr Euch vor Spiegelungen in Acht nehmen sollt, habe ich im letzten Jahr ganz schön viele durchgewunken! Meistens ist es so: Je weniger sie als Spiegelung erkennbar werden, desto besser ist es, denn dann können sie ihr Geheimnis entfalten. Hier sehen wir Spiegelung nur, wenn wir richtig genau hinschauen. Im Himmel, der ja das Bild stark dominiert, ist sie fast nicht erkennbar, deswegen wirken die wenigen Indizien, die wir entdecken können, wie eine leise Bildstörung. Das finde ich interessant. Durchaus auch wie eine DIGITALE Bildstörung. Und das, bei diesem organischen Sujet, das ist schon ein Missklang, der die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Auch wie das Blau nach oben rechts hin immer schmutziger wird, nur so viel, dass es gerade mal ein mieses Gefühl hinterlässt. Caspar David Friedrich mit einem uralten Smartphone fotografiert!

Der Bedeutungsträger ohne Bedeutung. Das Fesselnde ist natürlich tatsächlich der Gedanke, dass dieser Gegenstand eine Verneinung seiner selbst ist. Besonders, da er ja auch noch so überdeutlich auf seine Funktion hinweist - die er nicht erfüllt. Aber wir haben zusätzlich noch ein wenig Technik vs. Natur im Bild bzw. der Gegenstand Entwickelt seine Prägnanz ja ganz besonders vor dem Hintergrund der harmlosen, lieblichen Wiese. Aber wir müssen auch dem Umstand Tribut zollen, dass Cornelia hier eine besondere und unerwartete Perspektive gefunden hat und eine besondere Positionierung des Gegenstands im Bild. Ich denke, viele hätten den Halter genau von vorne fotografiert und der Symmetrie halber mittig im Bild platziert. Dadurch wäre er aber in seiner Funktion nicht so deutlich geworden, wäre mehr auf die Konnotation „böse Technik“ reduziert geblieben und die ganze Philosophie wäre verloren gegangen.

Info - Cornelia

Bild 06 - Renate

Das Delta des Amazonas! Wie schön der Zufall zeichnen kann! Einfach draufhalten und mit nach Hause nehmen! In 07 dann das gleiche Delta vom Satelliten aus fotografiert.

Bild 07 - Renate

von Alex

Mephisto 2.0, eine tolle Hommage mal wieder an Elliott Erwitt. Es sprüht vor Witz. Ich habe mich anfangs gefragt, wie ich bewerten soll, dass das Wichtigste an diesem Hund, nämlich der Kopf / das Gesicht, im Schatten bleibt, während der eher unwichtige Vorderlauf in der Sonne aufblitzt. Ich dachte zuerst, es sei ein Mangel an diesem Bild, aber nein, ich habe mich anders entschieden. Dass das Gesicht im Dunkeln bleibt verstärkt das Mysteriöse in diesem Bild, und das Mysteriöse steht im Kontrast zur Banalität des Hundes, und aus diesem Kontrast zieht das Bild ja seinen Witz. Mephistopheles tritt aus dem Schatten! Jetzt sehen wir: Es ist gar kein schwarzer Pudel - es ist ein weißer Pudel!!! :-)

von Susann

Hier haben wir ja von der Komposition und Gewichtung her bereits ein geradezu amtliches Portrait-Setting. Und sehen das Gesicht nicht! Vielmehr den Kopf! Wir erkennen einige Details - die Frisur, wir sehen eine Sonnenbrille, wir sehen, dass der Mann etwas an einem Gurt umhängen hat, dass er ein Hemd oder Poloshirt trägt - aber sein Gesicht sehen wir nicht! Dabei wirkt es so, als ob ER UNS sehen würde! Denn er blickt ja MIT dem Licht, also muss er uns klar und deutlich sehen. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass er von uns weg schaut, nicht zu uns hin. Aber dennoch, wir werden das Gefühl nicht los, dass wir hier mitten in das Gesicht von ... MR. X schauen!

Hier schätzen wir die unbeirrbare Konsequenz der Inszenierung.

von Uschi

Wieder so eine ganz einfache, unprätentiöse Aufnahme, die aber ganz eindringlich und geradezu dramatisch ist. Ein Übergang eigentlich. Aber von wo nach wo? Welcher Weg endet denn hier eigentlich? Der Plattenweg oder der Sandweg?

von Uschi

Eine Naturstudie nach klassisch amerikanischem Vorbild. Edward Weston hätte seine Freude daran gehabt. Und wir haben sie natürlich auch!

von Annette

Über dieses Bild habe ich zunächst hinweggesehen. Man denkt erstmal PARKLANDSCHAFT ... na schön! Aber auf den zweiten Blick wird die Schönheit dieser Anlage ganz unaufdringlich aber doch entschieden in Frage gestellt. Diese Bänke sind ja total hässlich und fügen sich ganz und gar nicht in die herrschaftliche Parkanlage. Und sie sind so lieblos aufgereiht und stehen zu allem Überfluss auch noch in der prallen Sonne. Man bekommt bestimmt sofort einen Hitzeschlag, wenn man sich da hinsetzt. Und der Asphalt. Eigentlich gehört der gar nicht in einen schönen Park. Er ist so richtig lieblos dahin geflatscht. Viel zu breit für die paar Menschen, die in der Kontemplation von Natur Inspiration suchen. Und er nimmt in dem Bild auch viel zu viel Raum ein. Das Bild ist eigentlich eine kalte Dusche, ein bodenständiges Zeugnis dessen, was aus einem Ideal von Naturerleben mit der Zeit so werden kann.

Natürlich müssen wir eines der Flaschenfotos auswählen! Ein Effekt, aber toll gesehen und toll fotografiert. Ich wähle II aus. Es ist vielleicht das am wenigsten Elegante dieser Bilder. Dafür kommt der Eindruck des Schwebens der Flaschen hier am deutlichsten zum Tragen. Mich fasziniert diese so aufregend geknubbelte Ecke am oberen Bildrand mit der Sonnenreflexion und der umgedrehten Flasche!

Eine von Susanns berühmten unscharfen, malerischen Abstraktionen! Mir gefällt am besten die #575. Abgesehen davon, dass es schön anzusehen ist, ist es auch das komplexeste dieser Reihe und das am wenigsten figürliche. Bei #582 ist es sogar ziemlich eindeutig die Freiheitsstatue ... - Grundstein für ein zukünftiges Stadtbild New York?

Bild 575 - Susann

Bild 582 - Susann

von Alex

Eben hatten wir es noch vom Amazonas. Hier nun wieder ein Küstenstrich zwischen Korallensterben und Cocktails unter Palmen. Wieso noch groß in die Ferne schweifen?!

von Uschi

Also, selten habe ich einen dieser mit Plastikplane verkleideten Bauzäune in solch verheißungsvollem Licht erstrahlen sehen! Das Licht ist herrlich, das Bild strahlt großen Optimismus und Lebensfreude aus, obwohl die Bildelemente unvergleichlich abstoßend sind - wir schauen schließlich mitten in einer Parklandschaft platterdings auf eine Plastikwand! Und witzig ist das Bild, geheimnisvoll und Beziehungsreich. Und obwohl es relativ aufgeräumt ist, hat es doch große Leichtigkeit. Natürlich sehen wir in den zusammengeklappten Sonnenschirmen menschliche Gestalten, die hinter einem Paravent stehen, so dass man nur die Köpfe sieht. Ja, der Sommer naht. Mühsam muss man sich wieder am Badesee unter dem zu kleinen Badetuch (oder bin ich etwa dicker geworden?) die Badehose anfriemeln. Aber - jetzt mal ganz abgesehen von dem schieren visuellen und seelischen Reiz, der von der strahlenden Plastikfolie ausgeht - wo zum Teufel ist die Silhouette der Gestalten hinter der Plastikfolie? Müsste sie nicht als Schatten von hinten auf die Folie geworfen werden? Wir sehen ja schließlich, dass auch das Bild der Gitterstäbe von hinten auf die Folie geworfen wird. Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass diese Gestalten womöglich gar nicht existieren? Zumindest vom Kopf abwärts? Müsste nicht auch ihr Schatten auf den Streifen Rasen fallen, den wir unter dem Bauzaun sehen können?
Nein, das Sonnenlicht fällt einfach nur ganz steil von oben auf die Szenerie. Das ist alles. Es geht mit rechten Dingen zu. Vor lauter Aufregung habe ich zuerst das Fahrrad gar nicht gesehen!!! :-)

Suchbild mt Dom - Cornelia

Wir hatten ein paar dieser Bilder in letzter Zeit: Eine fremde Welt, direkt vor den Toren unseres Utopias. Sehr schön gelungen hier. Die Formation von Strommasten scheint geradezu auf den Betrachter zu zielen!

von Susanne

Ein schönes Postkarten-Motiv! Bis auf die Gans im Vordergrund ein Parademotiv. Colonius in der Mitte, strahlend blauer Himmel, der Park, das verliebte Paar - perfekt! Aber eben nur BIS AUF DIE GANS IM VORDERGRUND! Die macht alles zunichte, mehr noch: Sie scheint die Szenerie geradezu zu verhöhnen. Folgerichtig ist sie auch unscharf, das macht es sogar noch besser! UNSCHARF heißt ja in der Fotografie normalerweise: Hier musst Du nicht hingucken! Aber diese dumme Gans ist aber auch so prominent platziert, dass genau das gar nicht möglich ist - NICHT hinzugucken. Und reden wir gar nicht davon, dass ihre Füße abgeschnitten sind. Das macht den Zwiespalt NOCH größer. Also, ich finde das Bild total witzig!

von Renate

Ich hoffe, dass ich auf meine alten Tage nicht langsam anfange zu spinnen, aber ich fühle mich zur Zeit sehr stark hingezogen zu Bildern, die sich in der Grauzone irgendwo zwischen Vergeigt und Geniestreich bewegen. Wie dieses Bild. Ich mag das Bild und schaue es mir gerne an. Aber worum geht es? Was will Renate uns damit sagen? Das Foto fokussiert ja zweierlei: Das Entenheim und das schmiedeeiserne Ornament des Brückengeländers. Da diese beiden Bildelemente inhaltlich nicht zusammenzubringen sind, sehen wir genauer hin: Das Geländer ist unscharf, das Entenheim ist scharf. Aha! Aber das Geländer nimmt so viel mehr Raum ein! Und: Wenn es um das Entenheim geht, wieso hat Renate dann nicht über das Geländer hinweg fotografiert? Also geht es ja vielleicht DOCH um beides, aber Renate musste sich für einen Fokus entscheiden, weil die Tiefenschärfe nicht ausgereicht hat, BEIDES scharf abzubilden. Aber dann stellt sich wieder die Frage: Was haben denn das Geländer und das Entenheim gemeinsam? Unergründlich! Und herausfordernd! Vielleicht geht es in diesem Bild um DAS SEHEN. Um die Fülle dessen, was auf unser Auge und unser Hirn einströmt und die Schwierigkeit, daraus etwas Verwertbares zu destillieren. Dazu fällt mir der Schriftsteller James Joyce und die Erzähltechnik des Stream Of Conciousness ein. Da geht es ja darum, Wahrnehmung und Erleben nicht als fokussierten, selektiven, bewussten Prozess zu begreifen sondern als Mosaik unzähliger gleichwertiger Details, die ungefiltert auf uns einströmen. Ich hoffe, ich gebe das halbwegs richtig wieder. Jedenfalls trifft das zum Teil auf Renates Bild zu: Es gibt diesen klaren Fokus nicht.

von Annette

Eigentlich ein ganz spannendes Bild, schön die Eisenstäbe in den unterschiedlichen Schärfegraden! Aber das Product-Placement ist doch gar zu aufdringlich!

von Alex

Schon wieder lasse ich mich zu einer Spiegelung hinreißen! Aber es ist wieder eine Spiegelung, die nicht lauthals darauf aufmerksam macht. Und es ist wieder ein angenehm unangenehmes Bild! Ambivalent. Wolke aber Dreck.

Ich schätze den tumultuarischen Charakter dieses Bildes. Und die Deutschlandfahne bringt natürlich einen verwegenen Hauch Sozialreportage ins Spiel.

von Uschi

Das Fotografieren von Schaufenstern hat ja eine lange und durchaus rühmliche Geschichte in der Fotografie. Oft sind Spiegelungen in der Schaufensterscheibe, die sich mit der ausgestellten Ware verbinden, Gegenstand der Aufnahme. Oder das Schaufenster als Bühne von Inszenierungen. Hier entsteht eine Verbindung mit einer Gestalt der „realen Welt“ :-) - dem Schatten eines Verkehrsschilds.

Ja, dieses Bild ist schön. Der Baum ist schön, das Licht ist schön. Aber jenseits dieses Liebreizes hat das Bild noch einen Mehrwert für uns parat, der uns nicht nur bereichert sondern uns gleich auch noch eine Rechtfertigung liefert, uns diesem Liebreiz hinzugeben. Die Perspektive und die Brennweite des Objektivs sorgen dafür, dass der Baum NOCH größer erscheint, als er ohnehin schon ist. Nun erscheinen natürlich die Menschen auch NOCH kleiner, als sie eigentlich sind. Der Größenkontrast wird gesteigert. In einem Ausmaß, dass diese beiden Bildgegenstände - die Menschen und der Baum - wie unterschiedlichen Welten zu entstammen scheinen, Paralleluniversen, die Tür an Tür gelegen sind, ohne aber voneinander Notiz nehmen zu können - weil sie einander gar nicht sehen können!

von Susanne

von Uschi

Von der Anlage her ist es ein Tatortfoto. Aber neben der sehr statischen Anlage des Tatortfotos entdecken wir allerhand quicklebendiges Beiwerk, das uns in seinen Bann zieht.

von Susann

„Aus dem Leben eines Baumwollfadens“ . Dieses Bild vermittelt mir den Eindruck, in ein anderes Universum zu schauen, in dem andere physikalische Gesetze gelten als in unserem.

von Alex

Dieses Bild ätzt! Es gibt im Englischen ein Wort, das mir im Deutschen manchmal fehlt: nasty! Diese Bank ist nasty! Unglaublich nasty! Wie eine Bremse im Sommer, die man nicht loswird, und man weiß: Sie wird gewinnen, am Ende sticht sie mich sowieso! Mir fällt gerade Renates Bild von dem Entenheim ein und meine Gedanken zum Stream Of Conciousness. Auch Renates Bild ist irgendwie nasty, aber es ist ganz anders. Hier haben wir KEINEN Stream Of Conciousness. Wir haben hier nämlich ganz eindeutig eine sehr dezidierte Komposition vorliegen und einen klaren Fokus. Und die Bank wird uns ebenso böswillig wie schadenfroh vors Schienbein geknallt. Eine ganz gründliche Enttäuschung unserer Erwartungen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es dabei wirklich mit rechten Dingen zugeht. Aus dem Bauch heraus hätte ich erwartet, dass man die Bank auf die Entfernung gar nicht so unscharf bekommt, wenn man auf den Hintergrund scharf stellt. Ist das etwa auch noch gepfuscht? Doch so viel Böswilligkeit traue ich Alex einfach nicht zu! :-)

von Ines

Ein spannendes Objekt, das außerordentlich beredt vom Leben vieler Generationen von Pekingenten erzählt. Schön direkt inszeniert!

Sonnenspiegel - Cornelia

Sehr malerisch. Die Sonne wird zum Mond.

Dafür, dass Du Dich getraut hast, dieses Bild NICHT symmetrisch anzulegen, muss man Dir einfach zu Füßen liegen! Hier geht es natürlich um diesen Effekt des Fremdkörpers in der Parklandschaft. Eines technischen und recht martialisch anmutenden Gegenstands in einer zwar künstlich angelegten aber doch organischen, lieblichen Parklandschaft. Und in der Tat: Sehr unauffällig ist die Gestaltung dieser Mülltonnen nicht geraten. Gerade technische Gegenstände werden gerne symmetrisch aufgenommen. Und symmetrisch ist gleich statisch. Aber es ist ja auch ein wenig langweilig, technische Gegenstände symmetrisch aufzunehmen, also gestalterisch das aufzunehmen, was durch die gegebene Form bereits vorgegeben ist. Diese U-Boot-Minen an den Rand des Bildes zu rücken, relativiert sie (so weit wie möglich!) Dem Blick in die Tiefe wird mehr Raum gegeben. Das ganze Bild wird dadurch verspielter, legt uns nicht so sehr fest auf die immer gleiche Bewertung des technischen Gegenstands.

Köln, am Aachener Weiher, im Juni/Juli 2021