Schlagbaumsweg

von Jörg

Ahhhh ...! Wieder eines dieser geradezu schmutzigen, vollkommen ungeschönten, ungeschminkten dokumentarischen Fotos, die Jörg manchmal aus dem Ärmel zaubert. Eines Tages machst Du ein Buch daraus! Bitte. Der Corsa ist perfekt.

von Alex

Das dürfte das erste mit einer längeren Brennweite aufgenommene Bild sein, das mir ... vielleicht sogar ÜBERHAUPT je gut gefällt. Wir sehen mal wieder: Ein Bild entsteht aus dem Zusammenspiel so vieler Elemente, dass Regeln für das Gelingen einer Fotografie nicht wirklich definierbar sind. Das Bild ist ja herrlich ungelenk. Hier fliegt uns wirklich NICHTS entgegen. Wie diese Kante des aufgeklappten Glasbausteins in die Ecke des Bildes stößt! Grässlich! Das komische Gekrissel am unteren Bildrand. Die äußerst flache Aufsicht, auf diese recht bewegte Szenerie. Aber dann kommen da die herrlichen Details: Die rote Strippe, so straff gespannt, der gekippte Glasbaustein, der auf zwei Bierdeckeln ruht, der komische schwarze Fleck, den ich zuerst für eine schwarze Hose hielt, die zum Trocknen dort hängt. Und der Türgriff, der unsere Blicke so unausweichlich auf sich zieht, als müsse jeden Augenblick die Tür aufgehen. Also - hier ist JEMAND, der oder die ... SACHEN MACHT, sich komische Hilfsmittel ersonnen hat. Hier wird EIN VORHABEN realisiert.  Hier hat jemand EINEN PLAN. Leider einen Plan, den wir um nichts in der Welt dechiffrieren können! Und da kommt die lange Brennweite ins Spiel: Sie steht für den Blick in eine fremde, entfernte und vor allem PRIVATE Welt (Paparazzi).

von Evelyn

Keine Atomphysik, aber sauber geschafft! Genau der Punkt, an dem die Ordnung in das Chaos übergeht. Die Ordnung wird ja durch die Schärfe / Unschärfe hergestellt. Wir haben im Vordergrund den einen Ast der scharf abgebildet ist - von diesem zum Hintergrund hin wird alles immer unschärfer, und so wird der Raum beschrieben. Aber der Ast im Vordergrund ist kurz davor, sich vor dem Hintergrund vollständig aufzulösen.

von Susanne

Schön, wie hier das Nebeneinander dieser beiden Universen illustriert wurde. Eigentlich wollen wir uns in das organische Gewirr der Äste vertiefen, aber die beiden Giebel verorten die Szene, erden uns ein kleines bisschen schmerzlich, hindern uns daran ins Abstrakte abzugleiten.

von Uschi

Ihr wisst ja: Ich bin ein großer Skeptiker der Diagonale als Gestaltungsmittel. Es mag da ja so eine grobschlächtige Kompositionsregel geben, die besagt, dass eine Diagonale Dynamik in das Bild bringt. Aber da muss man sich doch Fragen: Dynamik wozu? Dynamik zu welchem inhaltlichen Zweck? Dynamik um der Dynamik willen wollen wir ja wohl nicht haben! Aber genug geschimpft! SO - wie hier in Bild Nr. 8 - lasse ich mir die Diagonale gefallen! Und sie bringt übrigens auch keine Dynamik ins Bild. Vielleicht hängt sie zu sehr durch. Auf den ersten Blick mag das Bild platt erscheinen. Man sieht keine rechte Verbindung der Strippe mit den Pflanzen und Bäumen im Hintergrund. Und dann noch diese äußerst plakative Positionierung der Strippe als Diagonale! Ja, das Bild ist unverschämt einfach angelegt, richtig banal! Aber es erzeugt keine einfachen und banalen Gefühle! Natürlich schwingt bei dieser Diagonale immer ein bisschen das Grundmuster des Verbotsschilds mit, das wir natürlich alle verinnerlicht haben. In diesem Fall wäre also der Zutritt zum Himmel und zur Natur oder zur Erde verboten oder verstellt. An dieser Interpretation kommen wir nicht ganz vorbei, aber ich finde, sie deckt nicht alles ab, was dieses Bild an Emotionen freisetzt.

von Renate

Strommasten genießen ja eine wirklich große Beliebtheit in der Fotografie. Das müsste man einmal untersuchen. Bestimmt spielt eine Rolle, dass sie FÜR ETWAS STEHEN - Energie, Technik, Fortschritt, Leistung, Effizienz. Außerdem haben sie ja Ähnlichkeit mit der menschlichen Gestalt. Und sie stehen immer in der Pampa, was für einen schönen Kontrast sorgt. Wie auch immer - das müssen wir an anderer Stelle vertiefen. So wie hier werden sie aber eher selten fotografiert - ich finde das Bild recht originell. Sie wirken nicht so imposant wie normalerweise. Und sie stehen so schön zusammen. Sie können einander ja nicht gegenüber stehen, aber hier sieht es so aus, und das ist natürlich ein seltener Anblick. Auch gefällt mir, dass sie ein ganz klein wenig schepp stehen, das ist witzig, und es relativiert diese ehrfurchtgebietende Dominanz von Technik. Ja, es ist so ein bisschen Tünnes und Schäl in dem Pärchen! Zu guter Letzt rundet dieses kecke Pflänzchen im Vordergrund das Bild ab, das so vorlaut auf sich aufmerksam macht.

von Susann

Das könnte im Reichsmuseum in Amsterdam oder in den Uffizien hängen - als Gemälde natürlich! Nature Mort! In welcher Abteilung würde es am ehesten hängen? Renaissance? Es ist so schwül und schwer! Der vorherrschende Bildton ist geradezu schamlos warm. Der Tod der Pflanze wird ebenfalls schamlos gefeiert und ohne jede Zurückhaltung in Szene gesetzt. Wir können nicht sagen, dass dieses Bild nicht schwülstig sei! Ganz entschieden nicht! Aber dennoch ist es nicht billig. Denn bei aller Schwülstigkeit ist die Komposition sehr feinsinnig und ebenso reduziert wie konzentriert. An dieser Stelle wirft das Bild den Kitsch ab. Und an noch einer anderen Stelle: Etwa auf der Mitte läuft eine Linie horizontal durch das Bild, die Susann so gütig war, nicht wegzustempeln - wie mit dem Lineal gezogen. Wenn es ein Gemälde wäre - die Malerin hätte diese Linie bestimmt NICHT gemalt, das ist offensichtlich. Auch sie stemmt sich tapfer gegen den Kitsch und das Schwulstige. Erfolgreich.
Und nicht zu vergessen: Bitte beachtet Susanns Mut zur Dunkelheit! Das ist ja eines ihrer liebsten Stilmittel.

Auf den ersten Blick wirkt das Bild so schön wild. Dann sehen wir den Zaun im Hintergrund und merken sofort: Wir sind nicht in einem gottverlassenen Urwald sondern mitten in der Stadt. Trotzdem - vielleicht könnte man sagen, dass das Bild zu dunkel ist, aber gerade das macht es so geheimnisvoll.

von Renate

Durch ein Loch in der Straße sehen wir in den Himmel! Das sollte mir mal passieren! :-)

von Susanne

Simone ist es hier gelungen DAS BANALE zu portraitieren, ohne sich auf platte Weile über kleinbürgerliche Begehrlichkeiten lustig zu machen und auch ohne in Sentimentalitäten abzurutschen. Dieses Bild ist absolut konsequent reizlos und bietet uns außerdem keine Chance auf sentimentale Hintertürchen. Es ist fotogtrafisch reizlos, aber die Gegenstände, die wir hier zu sehen bekommen, sind ebenfalls reizlos - die Schubkarre ist noch nicht mal alt, Reifen sind ja sowieso ganz furchtbare Gegenstände (naja, immerhin fehlt einer!) und dem Bollerwagen haftet auch nicht die Spur des Glanzes vergangener Zeiten an. Pragmatik pur! What you see is what you get. Hier wunderbar konsequent durchgehalten.

von Annette

Ein geheimnisvolles Bild. Das Zusammenspiel, die Wechselwirkung zwischen der Baumgruppe und dem Haus im Hintergrund ist ganz fantastisch. Wie die Bäume das Haus verdecken und doch gleichzeitig den Blick freigeben. Das Haus im Schatten ihrer Kronen zu stehen scheint und es doch nicht tut sondern hinter den Bäumen unter freiem Himmel steht. Dann wieder das Banale, das in der Straße und der Hecke liegt, das das Geheimnis der Bäume und des Hauses noch besonders hervorhebt. Und schließlich das Haus: Hier haben wir es schon wieder: Diese Archaische Grundform unserer Kultur: HAUS. Symbol für so viele Dinge, nach denen wir streben! Aber dieses hier ... - HAT KEIN GESICHT! Die Seitenwände verschwinden in undurchdringlichem schwarzen Schatten. Dieses Haus lässt uns verunsichert und ungewiss zurück!

von Ines

Der ganz, ganz harte Tobak. Dieses Bild ist wirklich heftig. Nein, es ist weiß Gott nicht schön! Ich würde es als geradezu dekonstruktivistisch bezeichnen. Irgendwie zerstört es sich selbst. Der Maiskolben, offenkundig der Augenmerk dieses Bildes, wird durch den schwarzen Behälter im Hintergrund und die weiße Plane zerstört/ unkenntlich gemacht. Nichts für schwache Nerven, aber mir gefällt‘s!

von Renate

Schön Rauhbeinig. Als ich Student war, haben wir so eine Szene immer noch zusätzlich angeblitzt, da wären die Blätter im Vordergrund noch gnadenlos überstrahlt gewesen. Aber auch so sind sie so richtig schön lästig! :-)

Noch eine recht ungeschönte Reportage-Fotografie, allerdings nicht ganz so schonungslos wie das erste auf dieser Seite. Und ohne Corsa. Dafür ist es ein wenig  eleganter. Hier entsteht eine Beziehung zwischen dem Haus und der Zigarettenautomatin.

von Jörg

von Alex

Das Bild rührt mich. Ist das Haus abgebrannt? Wir schauen durch das Gerippe des Dachs direkt auf den gemauerten Schornstein. Das Haus wirkt nackt und ungemein zerbrechlich. Ich schätze, das Licht ist realistisch wiedergegeben: Nahe Abenddämmerung. Eigentlich erkennt man kaum noch was. Unten, das Gartenhäuschen, eine Form, an der wir uns gerne festklammern würden, aber sie ist durch ein schwarzes Kunststoffnetz verhangen. Ganz schön finster alles!

Bld 4 - Susann

Bild 6 - Susann


Wir haben hier unterschiedliche Grade von Abstraktion, bzw. verschiedene Stufen von „unscharf aber gegenständlich“ bis zu „abstrakt“. Ich finde ganz entschieden die vollständig abstrakten am ergiebigsten, also hier Bild 7.

Bild 6 ist nicht unbedingt schlecht, aber es riecht etwas nach Karneval in Rio.

Bild 7 - Susann

Ich hätte es ja STARGATE genannt. :-)
Ist es wirklich eine Schaukel? Mir gefällt, dass Simone diesen Gegenstand mit Stilmitteln der Architekturfotografie fotografiert hat. Automatisch erwarten wir, einen ehrfurchtgebietenden Gegenstand zu sehen. Die Pforte zu einem Wurmloch in eine ferne Galaxie wäre das Mindeste! Stattdessen: Wasserrohre zu einem Rechteck zusammengesteckt. Also - ich würde vorsichtshalber nicht durchgehen!!!

von Susanne

Dieses Bild hat einen starken dokumentarischen Charakter, der Gestaltung und Gefälligkeit entschieden abzulehnen scheint, aber doch ist es gleichzeitig besonders stimmungsvoll und geradezu ergreifend.  Das Ungestaltete an diesem Bild sehe ich darin, wie diese vier Stängel in das Hochformat gesetzt wurden: ICH WOLLTE EUCH DIESE VIER STENGEL ZEIGEN, WIESO SOLLTE DER AUSCHNITT AUßER IHNEN NOCH ETWAS ANDERES ZEIIGEN? Das ist mutig und konsequent. Durch diese Konsequenz entsteht auch ein Ungleichgewicht in dem Bild, weil die Linke Pflanze noch ein paar Blätter trägt und dadurch mehr Raum in Anspruch nimmt. Dieses Ungleichgewicht stellen wir der Konsequenz in Rechnung und nehmen es gerne in Kauf. Wir haben außerdem in diesem Bild eine Art Aufzählung, die ebenfalls auf den ersten Blick einen spröden, bürokratischen Charakter haben mag: Erstens / zweitens / drittens / viertens. Es ist die Art und Weise, wie diese vier Stängel mit ihren leichten Unterschieden nebeneinander stehen wie in einem Lehrbuch der Botanik. Mit Blättern, mit Ästen und ohne Blätter und Äste. Das sind die ungestalteten, spröden Elemente. Daneben aber entfalten diese vier Stängel unmissverständlich den Charakter von vier gestalten, die nebeneinander stehen und sich - nicht gerade vor Leben strotzend - in den grauen Himmel recken. Ein bisschen Dantes Göttliche Komödie. Spannend ist auch, wie die starke Dynamik des Hochformats auf die Leblosigkeit dieses Bildmotivs und der ganzen Stimmung prallt!

Hier spielt übrigens auch eine Diagonale eine Rolle! So dezent kann man das eben auch machen! Ich mag die Komposition dieses Bildes. Es ist auf eine äußerst stille Art und Weise lebendig. Es gibt ein geordnetes Nebeneinander von Horizontalen, Vertikalen und einer Diagonalen, von Nature Mort, Nature Vivante und ... ähm ... Technique! :-) Von organischen und geraden Linien. Und doch ist diese Ansicht gleichzeitig so REALISTISCH, so NORMAL.

von Uschi

Ja, so kann man das auch machen! Mal einen Strommast so fotografiert,  dass er nicht aussieht wie eine menschliche Gestalt. Auch die Strippen kriegen eine ganz andere Anmutung, wenn sie nicht so schwer durchhängen. Bin überrascht, dass man mich mit diesem Sujet tatsächlich noch hinter dem Ofen hervorlocken kann! :-)

von Jörg

Nun also eine NATURE TRISTE. Ok, das Bild ist ruck-zuck entschlüsselt, aber es stecken doch ein paar Überraschungen für uns drin: Wir kennen die Blume alle aus dem Effeff, und sie ist schwer vereinnahmt als Symbol für eine alternative naturverbundene Partei aber auch viel allgemeiner: Weltanschauung und Lebensweise. Umso schöner, dass Ines sie hier im Profil fotografiert hat. So können wir die Form ganz unvoreingenommen wahrnehmen. Außerdem überrascht uns der Raum, der durch den unscharfen Hintergrund erzeugt wird, der an der linken Bildkante sichtbar wird.

von Ines

Ein sehr schönes Portrait dieses Orts. Ich kenne ihn gut, weil der Klassentraum meines Sohnes Gus am Ende dieser Treppe rechts liegt. Ich begleite ihn morgens immer bis auf diesen Pausenhof. Es ist berührend diesen Hof hier so menschenleer zu sehen. Er scheint fast ein bisschen zwischen Leben und Tod zu schweben, zwischen Erwartung und Enttäuschung.

von Evelyn

von Alex

Das HAUS. Hier versinkt die Fassade nicht in undurchdringlichem Schatten, aber sie ist ebenfalls „blind“, gesichtslos, ein Piktogramm ihrer selbst. Schön, dass die Satellitenschüssel nicht rund ist!

von Uschi

Ein rätselhaftes, nicht gerade gefälliges aber gutes Bild! Wir schauen flüchtig drüber und denken: Kenn ich! HECKE, DACH, BAUM, HAUSWAND. Ist alles da! Dann entdecken wir das Glasdach der Veranda. Hier stimmt etwas nicht! Wir erkennen es zwar ebenfalls (übrigens umso eher je stärker wir das Bild vergrößern), aber im Gegensatz zu den Anderen Bildgegenständen präsentiert es sich uns als abstrakte geometrische Fläche - und will einfach nicht Gegenstand werden, bleibt ein rätselhafter Fremdkörper in diesem Bild!

von Jörg

Das Bild lebt von einem angedeuteten Narrativ. (Ja,  ich muß das Wort jetzt auch endlich einmal sagen!) Diese Gegenstände hinter dem rechten Fenster - sind es Radkappen? - scheinen eine  Geschichte zu erzählen, die wir nicht ganz verstehen, aber die deswegen kein bisschen weniger konkret zu sein scheint. Davon abgesehen scheint mir die gestörte Symmetrie dieses Bildes eine starke Wirksamkeit zu haben. Vor allem die Pflanze, die rechts oben ins Bild ragt, trägt zu dieser belebenden Eigenschaft bei.
Ganz anders das untere Bild. 3 Meter zurückgetreten und schon haben wir ein Bild,  das im weitesten Sinne vom widersprüchlichen Zusammenspiel von Bauwerk  und Pflanzenwerk lebt - etwas vollkommen Anderes!

von Jörg

von Susanne

Ein ungelenkes, sprödes Bild - mit einer ganz toll angelegten Räumlichkeit.

von Ines

Mein erster Gedanke: Ahhh, nochmal so ein CRISIS? WHAT CRISIS? (das berühmte Supertramp-Plattencover) Thema. Doch dann dachte ich: Halt, das ist doch etwas ganz Anderes hier! Bei Supertramp geht es ja um den Kontrast zwischen dem entspannten Gefühl, das der Mann unter dem Sonnenschirm erzeugt und dem dystopisch-apokalyptischen Setting, in das die Szene gebettet ist. Hier in diesem Bild werden irgendwie die gleichen Pole durch andere Bildelemente aufgebaut. Das Bild stellt eigentlich ein Idyll dar. Natur, ein Garten mit selbst angebautem Gemüse, etwas chaotisch angelegt aber durchaus ertragreich. Auch die Sitzgruppe steht im Prinzip für das Idyll. Sonnenschirm = Sonne, auch wenn sie ausgerechnet in diesem Augenblick nicht scheint. Und: Stühle = Rast und Kontemplation. Und doch spüren wir, dass der Kontrast da ist, der Widerspruch. Ich denke, das Idyll reibt sich an den unglaublich hässlichen Kunststoff-Stühlen auf - auch noch gestapelt = seriell = industriell. Und dem Telekom-Magenta des Sonnenschirms natürlich. Wir spüren, dass wir hier zwischen zwei Polen in der Luft hängen.

von Annette

Auf den ersten Blick scheint es ein Bild zu sein, das wir schon einige Male gesehen, wenn nicht sogar selbst gemacht  haben. Dieses hässliche Parkmobiliar, das landauf landab in jedem Park dieser Republik herumsteht. Ich bin mir nicht sicher, woraus diese Bilder ihren Reiz ziehen. Wahrscheinlich ist es der Kontrast zwischen diesem industriell in großer Auflage und Uniformität hergestellten Gegenstand und der Natur, die ihn umgibt, die ja ein Gegenentwurf zu Uniformität und Gleichförmigkeit ist. Aber, offengestanden, diese Bilder üben auf mich keinen besonders großen Reiz aus! Anders dieses Bild hier von Annette. Nachdem wir schon innerlich einen Haken dahinter gemacht haben, entdecken wir die Asymmetrie. Wir erwarteten, dass diese dämliche Bank in der Mitte des Bildes steht. Aber das tut sie nicht. Aha, vielleicht weil die Bank nicht mittig auf die Bodenplatte montiert wurde, aus unerfindlichen Gründen. Dann ist aber bestimmt die Bodenplatte mittig auf dem Bild platziert! Aber nein, auch das ist nicht der Fall! Und trotzdem kommt uns das Bild geradezu langweilig ausgewogen vor! Die Komposition ruht in sich. Ich denke, die Unwucht, die durch die Bank erzeugt wird, hat ein ausgleichendes Gegengewicht in dem Stück Himmel, das oben rechts sichtbar ist. (Vorsicht, Diagonale!) Dieses Bild ist ein Bild, über das Ringen um Ordnung, das in unserer Zivilisation ja so allgegenwärtig ist. Das Gartenbauamt ist hier offenkundig gescheitert. Aber Annette hat das Problem auf der bildnerischen Ebene nochmal neu aufgemacht und ihrerseits um Ordnung gerungen - mit weitaus größerem Erfolg als das Gartenbauamt, würde ich sagen! :-)

von Susann

Nebel ist ja eine durchaus inspirierende Wettererscheinung, aber Nebel ist schwer zu fotografieren - denn es liegt in seiner Natur, Kontraste stark zu reduzieren, aber unser Auge will Kontraste um jeden Preis sehen. Hier haben wir im Vordergrund genug Tontrennung, um uns ohne ein mieses Gefühl im  Nebel im Hintergrund nach Herzenslust zu verlieren.

Nicht nüchtern und nicht reizlos. Es weist eine ganz spannende Komposition auf, es ist ein wenig geheimnisvoll, es scheint eine geheime Ordnung zu geben, die eine geheime Geschichte offenbart, die uns aber verborgen bleibt.

von Evelyn

Das Bild wirkt KÜNSTLICH. Und KUNST kommt ja von KÜNSTLICH. Oder umgekehrt :-). Das ist jetzt aber keine etymologisch gesicherte Feststellung. Ich finde jedenfalls, dass die Frage, ob in einem Bild die Wirklichkeit in etwas Künstliches transformiert wird, eine sinnvolle Frage und ein mögliches Kriterium, um Kunst zu bewerten. Nicht das einzige natürlich.

Ich denke, wenn man es einem Kind zeigen würde, würde es sagen, das ist ein Foto von einem Bach. Da gibt es kein Vertun. Aber das Foto zeigt eine ganz stark sublimierte Darstellung eines Bachs. Die Art und Weise wie das Licht - genaugenommen die Spiegelung des Himmels auf der Wasseroberfläche - den Bach zu einem Symbol von Bach macht, wie es die Form als bloße Linie herausstellt, verleiht dem Bild eine ganz starke abstrakte - und künstliche - Dimension.

Köln-Holweide, im Oktober 2021