Am Colonius

von Evelyn

Ein Bild, wie wir es schon mal gesehen haben, denken wir zuerst. Im Raum weitläufig gestaffelte Dinge werden durch Aufnahmestandpunkt und / oder die Wahl der Brennweite in engen Zusammenhang gebracht. Das passiert im Prinzip hier auch. Nur, dass der Fernsehturm hier nicht zu einem Teil des Bildes werden will. Er verbindet sich nicht mit dem Himmel, und er verbindet sich nicht mit den Gebäuden im Hintergrund - die so wirken, als würden sie sich hinter ihm verstecken. Ich kann nur raten, woran das liegt: An der besonders deutlichen Plastizität des Turms. Die findet sich weder im Himmel und schon gar nicht in den Häusern wieder. Und obwohl nachvollziehbar ist, dass das KEINE Montage ist, und der Sonnenstand für alle drei Elemente - Turm, Himmel, Häuser - der gleiche ist, werden wir das Gefühl nicht los, dass sich der Turm in einem anderen Kontext befindet. Unwirklich, spannend, herausfordernd!

von Ines

Es ist kein Beispiel für die leisen, differenzierten Töne, aber in seiner Reduktion hat es etwas ungemein Bestechendes. Ich muss sofort an Weltall denken, an Star Wars, und ich muss an die von dem Maler Roger Dean gestalteten Plattencover der Gruppe YES denken. Komischerweise überstrahlt diese Kombination aus Gegenstand und Schatten, die Elemente der Sitzgruppe mit ihren Schatten, alles andere im Bild. Selbst die Schrift, auf die wir gezwungen sind zu starren, stellt sich uns nicht störend in den Weg - sondern ist uns egal. Das Eigenleben dieser banalen Elemente und ihrer Schatten setzt sich über alles hinweg. Schön gesehen!

von Susanne

Ich muss sofort an das Haus des Lehrers auf dem Alexanderplatz in Berlin denken. Da steht ja auch nicht weit entfernt der Fernsehturm - und könnte sich in der Fassade spiegeln. Die Ähnlichkeit mit dem Haus des Lehrers ist indes gar nicht groß, denn auf dem Haus des Lehrers in Berlin prangen riesige Mosaike im Stile des sozialistischen Realismus. Es ist vielmehr diese verhaltene bis verwaschene Farbigkeit, die mich an das Ostberlin denken lässt, das es nicht mehr gibt - über den Umweg schlecht gedruckter und / oder verblichener Postkarten, die - vollkommen ungeachtet des Motivs - auf Vergangenheit hindeuten. Das Foto wirkt also vorneweg schon mal unwirklich. Jetzt kommt der absolut todesmutige Anschnitt ins Spiel. Oben blitzt der Himmel buchstäblich um Haaresbreite über dem Gebäude hervor. Links hat Susanne einen schmalen, spitz zulaufenden Keil stehen gelassen - auch nicht gerade gefällig. Da es ja OFFENSICHTLICH um die Spiegelung des Fernsehturms in der Hochhausfassade geht, könnte man sich die Frage stellen, ob man diesen Inhalt nicht noch entschlossener hätte in den Mittelpunkt rücken können. ABER DAS WÄRE LANGWEILIG GEWESEN! Zum tausendsten Mal ein Gebäude, das sich in einem anderen spiegelt! Dieses Bild ist total lebendig und erfrischend - durch die unerwartete Farbigkeit, den ungelenken Anschnitt, die Unschärfe, die gleichmäßig über das Bild verteilt ist, die Pflanze unten links, die nochmal die Reduktion behindert. Lebendig und authentisch!

Sehr schön gesehen! Der Schatten, der mehr ist, als der Gegenstand, der ihn wirft! Das ist eine angenehme, aufrüttelnde Irritation!

von Renate

von Cornelia

Was auffällt, ist, dass dieses Bild nichts Negatives hat. Im Gegenteil: Es hat eine positive, leicht liebliche, verklärte, versöhnliche Grundstimmung. Das muss uns überraschen, denn wir blicken ja schließlich auf eine riesige, nackte Betonwand. Und Beton hat einen echt schlechten Ruf, steht für Kälte, Rationalität, Ökonomie - wahrscheinlich nicht immer zu Recht. Der Blick durch die Blätter aber suggeriert, dass dieser Beton, dieses „monströse“ Bauwerk - welches auch immer es sein mag, es ist groß - überwunden wurde, Geschichte ist, Vergangenheit. Und nun können wir aus der Geborgenheit einer besseren Welt heraus einen verklärten Blick auf dieses dunkle Kapitel unserer Vergangenheit werfen. Da muss ich doch gleich an Tschernobyl denken. Da streifen ja mittlerweile auch die Wölfe durch die Straßen der verlassenen Stadt.

Ein geheimnisvoller, ganz unwirklicher Ort. Ich wusste gar nicht, dass in der Stadt solche Baumstämme rumliegen. Die Lichtführung ist toll und der Baumstamm unterstützt das noch: Wir haben das Gefühl, den Boden einer tiefen, steilen Schlucht zu sehen, in die nur für eine Stunde am Tag das Sonnenlicht fällt - eine Art Unterwelt. Und das beschreibt ja eigentlich auch ganz gut, wie unsere modernen Großstädte beschaffen sind: Sie wachsen stark in die Höhe und lassen uns am Boden der Häuserschluchten im Großstadt-Dschungel zurück.

von Jörg

von Susann

DAS FREMDE schlechthin. Es passiert mir selten, dass ich mal nicht erkennen kann, was ihr fotografiert habt. Hier ist es so. Und das ist gut so. Die GESTALT ist ebenso deutlich, konturiert und detailreich dargestellt wie unergründlich. Vielleicht doch ein organisches Wesen aus einer fernen Galaxie! Und dazu diese mysteriösen Lichtreflexe, die durch das Bild laufen! GEGENLICHT, ich hab Dich lieb!!!

von Alex

Auf den ersten Blick ist es ungeheuerlich banal! Auch auf den zweiten! Es scheint so gewollt! Mit dem Holzhammer zurechtgezimmert. Mit dem Tele zwei Baukörper nebeneinander gestellt, die eigentlich hintereinander stehen. Und dann dieser Spalt! Haben wir nicht gelernt, dass das Auge Eindeutige Verhältnisse sehen will? Also: Entweder PLATZ oder KEIN PLATZ? Und nicht EIN BISSCHEN PLATZ? Und DAS BISSCHEN PLATZ läuft auch noch spitz zu! Ein bisschen spitz!
Aber dann, vielleicht beim vierten Mal spüren wir so ein ebenso bestimmtes wie diskretes NA UND? Das Bild ist unglaublich einfach! What you see is what you get. Am Anfang dachte ich noch, ich sei mit einer fadenscheinigen räumlichen Täuschung konfrontiert. Das hätte tatsächlich wenig Tragweite. Der Tele-Effekt. Aber sobald man sich mit dem Bild ein wenig beschäftigt, verschwindet dieser Effekt sofort. Und übrig bleibt: Ein Beton-Zylinder und eine Hochhaus-Fassade. Beides so angeschnitten, dass man genug davon sieht. Es gibt genügend Hinweise auf die tatsächliche räumliche Situation, dass der Zylinder im Vordergrund steht und die Fassade im Hintergrund, aber das spielt keine Rolle.
Vielleicht merkt ihr, dass ich um eine wichtige Frage herumeiere: Was BEDEUTET denn das Bild jetzt? Warum ist es so toll, obwohl wir am Anfang noch dachten, es sei so banal? Offengestanden: Ich habe darauf keine wirklich zufriedenstellende Antwort. Die ungeheure Einfachheit ist so bestechend! Auf der einen Seite werden Kompositionsprinzipien mit Füßen getreten. Das macht das Bild originell. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, das Bild will gar nicht originell sein, will auch nicht provozieren. Es zeigt einfach einen Betonzylinder und eine Hochhausfassade, das täglich Brot des modernen Städtebaus, unser Zuhause. Ganz einfach.

Gemein! Ok, zunächst ein Bild von Müll. Aber der Grill ist gar kein Wegwerfgrill, er steht sogar auf Rollen. Handverschweißt? Wirkt irgendwie sogar selbstgemacht. In jedem Fall hat er eine ganz prägnante Gestalt - keine besonders schöne, sehr sperrig. Er sieht so aus, aus würde man ihn noch nicht einmal in einen Passat reinkriegen. ABER: Jetzt kommt ja noch der Ausgang des Lüftungsschachts ins Spiel, mit seinem riesigen verzinkten Rost. Ich glaube nicht, dass das irgendwo hin führt, aber dieser riesige Rost ist ja eigentlich auch ein Grill! Hahaha! Entscheidend ist aber das Zusammenspiel dieser beiden Bildelemente. Natürlich steht der Grill im Mittelpunkt des Geschehens, genau so ist das Bild aufgebaut. Aber der Lüftungsschacht drängt sich dermaßen unverschämt ins Bild, dass auch hier die klassische Betrachtungsweise erheblich infrage wenn nicht gar platterdings verhöhnt wird!

von Annette

"Nochmal“ die Spiegelung des Colonius‘ in dem benachbarten Hochhaus. Wir kennen die Ansicht von Susanne.  "Nochmal“ in Anführungsstrichen, weil die Bilder ja so unterschiedlich sind. Das Bild von Susanne überzeugt ja dadurch, dass es vollkommen unwirklich ist, ein Gespenst aus der Vergangenheit, vielleicht mehr gemalt als fotografiert. Das trifft auf das Bild von Annette gar nicht zu. Was mich an Annettes Bild fasziniert, ist dass das Hochhaus als solches quasi aufhört zu existieren. Es ist eigentlich nur noch PROJEKTIONSFLÄCHE, obwohl es doch - jenseits des Musters seiner Fassade - voller Details steckt. Bestimmt ließe sich philosophisch da etwas draus basteln: Dass all diese Details des Hochhauses, die Fenster, vielmehr die Räume dahinter, in denen viele, viele Menschen jeden Tag arbeiten - dass all das verschwindet, um der Gestalt des Colonius‘ als Projektionsfläche zu dienen.
Außerdem: Ihr habt ja spitz gekriegt, dass ich eine Schwäche habe für das Unerwartete, und im Fahrwasser dieser Schwäche durchaus hin und wieder begeistert DIE PANNE zum Katalysator des unerwarteten Geniestreichs ausrufe. Nun, wenn ich dieses Bild so ansehe, dann Frage ich mich natürlich, wieso ist der Colonius nicht IN DER MITTE der Hochhausfassade? Und: Was in aller Welt hat der blöde Baum da am äußersten linken Bildrand verloren? Es würde mich nicht überraschen zu hören, dass es anders nicht ging. Dass vielleicht der Baum im Weg war. Kann ich mir gut vorstellen. Aber wie auch immer - so ist es wieder ein Bild geworden, das mich überrascht, das mich unvorbereitet erwischt hat. Und wenn ich es so ansehe, denke ich: Zum Glück hat sie den Colonius nicht einfach in die Mitte der Fassade gesetzt. Und zum Glück hat sie noch ein paar Äste von dem blöden Baum mit auf das Bild gequetscht. :-)

Normalerweise nicht meine Baustelle, und Deine auch nicht, wenn ich mich nicht täusche, aber diese Architekturaufnahme hast Du richtig sauber hingeledert! Schön fokussiert und sauber die Details dieses Bauwerks herausgearbeitet!

von Renate

von Uschi

Das Bild ist rauh. Und es zeigt auch etwas Rauhes. Ästhetik und Inhalt sind hier schön in Einklang gebracht. Die Schatten „saufen ab“, die Komposition wirkt auf Anhieb zufällig, die irgendwie lieblos gestrichene Fläche, ein Nagel, der in die undefinierbare Fläche getrieben wurde, links ein Loch, rechts eine überstrichene Schraube, diese komische Fuge, die vertikal durch das Bild läuft: Das ist alles nicht so richtig romantisch. Und doch: Da ist dieses Licht, das sich ganz sachte auf diese komische Oberfläche legt - und das Ruder rumreißt!

Bild 364 - Susann

Bild 365 - Susann


Die drei Bilder dieses Motivs sind ein Lehrstück zum Thema Komposition. Wir können hier sehen, dass, je mehr Gitterstäbe im Vordergrund ich abbilde oder mit auf das Bild nehme, desto mehr werden die Elemente zum Muster. Je weniger Gitterstäbe ich nehme, desto mehr werden die einzelnen Elemente zur Gestalt. Das wiederum wirkt sich auf die Belange der Komposition aus, denn mit einer Gestalt muss ich ganz dezidiert umgehen, ein Muster dagegen hat kein Anfang und kein Ende, es ist selten entscheidend, wohin ich es platziere oder wie ich es anschneide.

Bild 366 - Susann

Und hier liegt auch die Qualität von Bild 366: Sowohl der Schatten im Hintergrund wie das Gitter im Vordergrund sind in einem verhältnismäßig großen Maßstab abgebildet. Beide Bildelemente bekommen dadurch den Charakter einer Gestalt. Dementsprechend SPERRIG werden sie als Bildelemente, gleichzeitig jedoch auch EINDRINGLICH. Jetzt muss man beherzt gestalten! Und das ist gelungen. Das Bild wirkt extrem harmonisch - obwohl im Detail betrachtet alles aus dem Gleichgewicht zu sein scheint. Das ist brilliant!
Und ein bisschen Philosophie hat Susann auch parat: Hier haben wir sozusagen die Fortführung von Platons Höhlengleichnis. :-). Nicht nur können wir von der Wirklichkeit nicht MEHR erkennen, als einen undeutlichen Schatten an der Wand, nun ist uns der Weg zur Wirklichkeit auch noch durch ein Gitter versperrt - das wir AUCH wieder nur undeutlich erkennen können. Zeit, den Platon wegzulegen und mal wieder ein bisschen Tim & Struppi zu lesen!

von Susanne

Der Gegenstand selbst ist ja schon maximal uninteressant. Ein paar Kratzer, die Löcher der Gegensprechanlage, ein Pfeil, der einmal sicherlich strahlend weiß war, alles Andeutungen. Auch bei diesem Bild gibt es wieder einen Anschnitt, der so eigentlich von Amts wegen verboten wäre: Der Anschnitt entlang des gelben Rands, der den Automaten einfasst. Wir haben hier dieses eigentlich langweilige und doch plakative Motiv: Pfeil und Maul - und dass es langweilig UND plakativ ist, macht es eigentlich noch schlimmer. AAABEEER: Wir können uns auf dieses penetrante Motiv gar nicht konzentrieren! Stattdessen wandern unsere Blicke immer wieder hoch zu dem schönen, warmen, lebendigen Lichtklecks, wahrscheinlich die Sonne höchstpersönlich - die den leblosen aber aufsässigen Automaten relativiert und im wahrsten Sinne des Wortes überstrahlt. Ein zauberhaftes, ganz uns gar überraschendes Bildchen!

Mutig, mal einfach so den Sensor durchzubraten! Und es führt zu einem unvermuteten visuellen Erlebnis. Unser Auge würde uns in dieser Situation ein anderes Bild liefern!

von Jörg

Überraschenderweise funktioniert die Reduktion hier! Ich hätte gewettet, dass die flüchtenden Linien eben gegen die Reduktion arbeiten, eine Räumlichkeit aufdrängen, mit der wir uns nicht beschäftigen wollen, aber nein: Es ist gut genau so, wie es ist! Dass die Reduktion nicht ganz eingehalten wurde, verleiht dem Bild eine angenehme Leichtigkeit.

von Cornelia

Was ist hier stärker: Der ästhetische Reiz der von diesen beiden sehr organischen Formensprachen ausgeht, oder der Witz der in der Vorstellung liegt, das Bild, das hier entstanden ist, sei ein Tintenklecks, eine willkürlich entstandene, aus zwei gespiegelten Hälften entstandene Form? Ich weiß es nicht - aber beide Lesarten tragen!

von Uschi

Und nochmal die Spiegelung des Colonius‘ im Telekom-Gebäude! Diesmal vergebe ich eine lobende Erwähnung, weil es wirkt, als ob das gar keine Spiegelung sei, sondern der Colonius IM Telekom-Gebäude stünde!

von Jörg

Bild 3 - Ines

Bild 8 - Ines

Beide Bilder ziehen ihren Reiz aus dem gleichen Gedanken, aus dem gleichen Gefühl: Dass wir durch die Blätter hindurch eine ferne, fremde Welt erblicken oder erahnen können. Ich gebe Bild3 den Vorzug. Ich finde, hier kommt dieser Gedanke stärker zum tragen. Außerdem wird in diesem Bild stärker ein Gegensatzpaar aufgebaut - ein Gegensatz zwischen den beiden Welten, die wir sehen können.

Dieses Bild hätte man vielleicht noch mehr reduzieren müssen. Diese aberwitzige Farbe GANZ ALLEIN. Der Colonius wirkt da wie bestellt und nicht abgeholt.

von Annette

von Evelyn

Ja, das ist ein lautes Bild! In den Himmel fotografiert, Gegenlicht, Sonne, die hinter Wolken verborgen ist, die Ränder der Wolken überstrahlen usw.
Aber: Die Fahnenstangen bringen eine besondere Note in dieses Bild. Das Gebäude, das erwarten wir, aber die Fahnenstangen hatten wir nicht erwartet. Und was dem Bild noch weiterhilft, das ist diese archaische, amorphe Form der Wolke, die uns zum Glück keine Assoziationen aufdrängt und wie eine riesenhafte Amöbe (Oh, doch eine Assoziation! Aber eben eine Assoziation mit etwas Formlosem und Unspezifischem.) - eine Amöbe, die drohend über dem Planeten hängt.

Da muss ich doch gleich an schlechte Postkarten denken! Also, wir haben hier zunächst jede Menge Postkarten-Feeling. Vor allem: das Wetter! Der schöne makellose blaue Himmel! Die Farben! Glaubt es oder nicht: Beim ersten Mal habe ich diese unsägliche Sauerei um die Mülltonne herum gar nicht gesehen! Das Bild ist so sehr auf eine liebliche Betrachtung der Welt getrimmt, dass die Sauerei fast nicht mehr wahrnehmbar ist. Das ist faszinierend! Allerdings hat Simone dafür auch den geeigneten Abstand gefunden. Wäre sie näher an dem Müllhaufen gewesen, wäre es ein Bild von Müll gewesen, gewöhnlich, ein bisschen ordinär. Aber aus der gewählten Entfernung heraus ist es ein liebliches Stadtpanorama ... MIT einem Müllhaufen bei näherem Hinsehen. Ein gelungenes Spiel mit unseren Sehgewohnheiten!

von Susann

Tote Tiere finde ich kein lohnendes Sujet. Aber hier, dieses Zusammentreffen des toten Vogels, dessen Tod wahrscheinlich kein schöner war, und dem abgegessenen Apfelgehäuse, das rüttelt auf. Das abgegessene Apfelgehäuse ist natürlich DAS Symbol für DAS WEGGEWORFENE schlechthin. Liegt in jedem Comic auf der Straße, wenn der Zeichner uns sagen will: Hier ist es dreckig, hier schmeißen die Leute ihren Müll einfach auf die Straße. Und zwar genau in dieser vorbildlich archetypisch abgegessenen Form. Und nun der Vogel, dieses komplexe, liebevoll ausgedachte Geschöpf Gottes. Hier in diesem Bild stehen sie genau auf einer Stufe!

von Renate

Beim ersten Durchscrollen denkt man: Ist schön, der Gegenstand irgendwie fremd, ja, das ist ein bisschen spannend, aber die Machart wirklich altbekannt. Aber Renate hat ganz unmerklich eine Asymmetrie in dieses Bild eingebaut, die es - ganz entgegen der vordergründigen Strenge und Statik - lebendig und leicht macht. Es ist faszinierend, wieviel Leben diese Abweichung in das Bild zaubert. Was es nun ist, wissen wir immer noch nicht. Ein Reifenabdruck etwa? Oder ist es ein architektonisches Detail der Moschee? Nicht, dass das etwas ändern würde, aber jetzt bin ich neugierig geworden! :-)

von Uschi

Zunächst haben wir es ja mit einer Spiegelung zu tun. Soweit nichts Neues. Und als Motiv bei mir ja generell eher unbeliebt. :-). Aber es gibt ja immer einen Grund, eine Ausnahme zu machen. Hier ist das Faszinierende der scheinbar unlösbare Widerspruch zwischen der spiegelnden Fläche, dem Metall, und dem gespiegelten „Motiv“, das für mich ganz stark den Anstrich eines Sehnsuchtorts hat - ich sehe Bäume, einen blauen Himmel, Erde, die von der Sonne angestrahlt wird, aber ganz diffus, wie in einem Traum. Und die spiegelnde Fläche - etwas weiter gefasst: das Gebäude im Vordergrund - besteht aus Beton und einer Verkleidung aus Metallplatten. Also unwirtlich. Die Metallplatten zudem beschädigt, Opfer also einer Gewalteinwirkung. Und darin sehe ich dieses ganz und gar verträumte Idyll. Sehr schön!

von Alex

Das Bild haben fast alle gemacht - aber die Bilder unterscheiden sich in der Entfernung zwischen Betrachter und Turm - entsprechend im Quantum an Bäumen, die zwischen dem Betrachter und dem Turm sichtbar werden. Hier sind wir dem Turm schon sehr nahe - schlimmer noch: Der Turm ist uns schon sehr nahe! Das Ungeheuerliche dieser zivilisatorischen Leistung springt uns aus diesem Bild an!

von Susann

von Susann


Sehr schön, was Du aus diesem Maschendraht rausgeholt hast!

von Renate

Nun, auch dieses Bild ist von der Machart her bekannt, geradezu archetypisch: Grafische Effekte in der Stadt, die sich aus dem Zusammenspiel von architektonischen Elementen und Schatten ergeben. Aber hier kommt natürlich das Fahrradpedal ins Spiel. Ich schwöre Euch: Ich habe noch nie eine solche „grafische Studie“ gesehen, bei der ein Fahrradpedal eine Rolle spielte! Der Überraschungseffekt ist vollauf geglückt!

Wahrlich, ich schätze die Einfachheit dieses Bildes. So bescheiden, so schön anzusehen. So tröstlich, so viel Schönheit in so großer Banalität zu finden!

von Cornelia

Hier wurde ja zunächst etwas gemacht, vor dem ich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach gewarnt habe: Hier wird eine Verbindung hergestellt, die es nicht gibt. Einfach den Kamerastandpunkt und die Brennweite so wählen, dass Dinge, die räumlich voneinander entfernt sind und nichts miteinander zu tun haben, plötzlich nebeneinander liegen. Das stiiftet Beziehung. Aber noch keinen Sinn :-). Aber Cornelia ist hier ganz geschickt ein paar Stolperfalllen ausgewichen. Hier ist eine Szene entstanden, eine sehr prägnante Szene. In die Szene sind zwei Figuren verwickelt, die miteinander interagieren. Aber das alles wirkt so zwingend, dass wir gar nicht das Gefühl haben, raten zu müssen , was wir da genau vor uns haben. Wir folgen Cornelia ganz vertrauensvoll in diese Welt merkwürdiger Gestalten. Was sehr hilft, ist die Art, wie der Fernsehturm angeschnitten ist, vor allem der Beton-Zylinder. Denn der Turm ist groß, und Cornelia steht unter ihm. Der Zylinder müsste also deutlich „flüchten“ = nach oben hin zusammenlaufen. Das tut er natürlich auch, aber Cornelia hat den Zylinder so angeschnitten, dass man es nicht sieht - der Rand des Zylinders verläuft beinahe parallel zum Bildrand. Deswegen wird unser Empfinden für Größe und Lage dieses Objekts gestört, und das macht uns gewogen, die gesamte Szene als unwirklich zu akzeptieren.  Zumindest habe ich mir das gerade so zusammengereimt. Aber es kommt mir plausibel vor! :-)

Köln, am Colonius, im Juni 2021