Heumarkt

von Renate

Das ist ein ganz zauberhaftes Bild, unkonventionell und verspielt. Das Bild besticht durch das Nebeneinander zweier gegensätzlicher, eigentlich einander ausschließender Wirkungen: Dem Eindruck einer vollkommen willkürlichen Komposition und dem Eindruck eines absolut zwingenden Zusammenhangs zwischen den Bildelementen, vor allem zwischen Pferd und Himmel. Die Komposition ist nach klassischen Maßstäben mehr als gewagt. Vieles tummelt sich am Bildrand, das Pferd, das ja das prägnanteste Bildelement ist, das wir sehen können, wurde regelrecht in die Ecke gestellt und wird als nächstes mit dem Kopf gegen den Bildrand rennen. Und doch: Wir sehen das Bild an und sind überzeugt, dass alles genau an seinem Platz ist und hier unmissverständlich und ohne jeden Interpretationsspielraum eine Geschichte erzählt wird. Ebenso unergründlich wie schlüssig. Ich muss an Magritte denken!

von Jörg

Das ist irgendwie ein lustiges, aber trotzdem ein subtiles Bild! Dieses Bild legt ein Zeugnis von MÜHE, von EINSATZ, auch von ENTSCHLOSSENHEIT ab. Jörg hat sich geradezu auf die Zehenspitzen gestellt, um dieses Bild zu machen, hat sich buchstäblich nach diesem Bild GESTRECKT. Aber irgendwie ahnen wir, dass er gar nicht sich selbst fotografieren wollte, sondern das, was er hinter der Glasscheibe zu sehen erwartete. Trotzdem ist ohne jeden Zweifel ein Selbstbildnis dabei heraus gekommen, bestenfalls ein SELBSTBILDNIS MIT KOCHTÖPFEN UND FRITTEUSE, wobei wir allerdings nur Augen für Jörg und seinen beherzten Einsatz haben. Das Schöne, die Finesse an diesem Bild ist, dass es humorvoll aber sehr treffend diese elementare und so anrührende weil ewig ungestillte menschliche Sehnsucht beschreibt, SICH EIN BILD ZU MACHEN. Da ziehen wir mit unserer Maske in die Stadt hinaus, streifen umher wie die hungrigen Wölf*innen, stellen uns auf die Zehenspitzen um einen Blick auf das Universum zu erhaschen und sehen ... KOCHTÖPFE UND EINE FRITTEUSE ... IN NEONLICHT. Wenn es überhaupt eine Fritteuse ist! :-)

von Claudia

Das zersprungene Glas wird hier fixiert, das erkennen wir daran, dass die Schärfe auf der Ebene der Scheibe liegt. Aber Telefonapparat und vor allem der Hörer sind so prominent vor der Scheibe platziert, dass das feine Bruchmuster eher zu Staffage wird, obwohl das Telefon unscharf und die Scheibe scharf ist. Ich finde das spannend. Auf einer symbolischen Ebene betrachtet ist das Bild ebenfalls recht ergiebig. Das Telefon steht ja unmissverständlich für zwischenmenschliche Kommunikation. Die Personen, die wir auf der Straße sehen, werden von der zerbrochenen Scheibe zu undeutlichen Schemen reduziert. Die man ... vielleicht erreichen, aber denen man nicht wirklich nahe kommen kann.

von Ines

Und nochmal Platons Höhle. Langsam haben wir ein Buch voll. Aber doch immer wieder eine Freude, der Versuch, diese undurchdringlichen Lichtreflexe zu entschlüsseln, um zu verstehen, was DA DRAUSSEN los ist!

von Annette

Ich muss mal wieder eine Spiegelung loben. Fotograf*innen lieben sie ja, aber ich mecker andauernd an ihnen herum. Was auf dieser Aufnahme ganz schön zum Tragen kommt, das ist dieser Sein & Schein Effekt. Wirklichkeit und Spiegelung stehen einander so gegenüber, dass man sie quasi vergleichen kann. Und sie wirken eigentlich nicht wie die Wirklichkeit und ihre Kopie sondern wie zwei unterschiedliche Erscheinungsformen der Wirklichkeit.
Aber alles das wäre nichts, wenn sich nicht diese Reihe kreisrunder Lichter in den Tiefen des Weltalls verlieren würde! :-)

Du hast ja mit dem Titel die Interpretation schon weitgehend vorgegeben. Nur ob es die Besucher selbst sind oder Zeichen, die die Besucher uns hinterlassen haben, ist nicht abschließend geklärt, aber das macht ja vielleicht auch nicht mehr den großen Unterschied. Die Zeichen sind hier kryptisch. Nach einer Weile erkennt man, dass die hintere Form eine Laterne ist und die vordere Form dürfte ein eingewickelter Sonnenschirm sein, aber das alles bleibt vage genug, um uns auf Trab zu halten. Auch diese komische Strippe mit dem Bonbon ist außerordentlich rätselhaft.

Kunst am Bau - Alex

Schön gesehen! Die Häuserfassade wird durch die Folie zu einer Schablone ihrer selbst! Sie ist nicht mehr Haus sondern reine Silhouette, aufgeladen mit den vielen Wünschen und Sehnsüchten, die wir mit HAUS verbinden!

von Nicol

Das Bild hat mir sofort gefallen. Vielleicht gehört fotografisch nicht viel dazu, diese Aufnahme zu machen. Aber das Bild ist durchaus aussagekräftig, beredt und eindringlich. Es liegt an der Wahl des Sujets und am Ausschnitt - mehr kann es ja nicht gewesen sein! Dieses Bild illustriert so treffend, wie eng die Schicksale der Menschen in der Stadt ineinander verwoben sind. Dieses Gedeihen und Verderben auf engstem Raum. Diese Tür! Diese absolut nichtssagendste aller Türen, so prototypisch, dass man sie kaum sehen kann! Was für unterschiedliche Menschen wohl Tag für Tag durch diese Tür hinein- und hinausgehen! Das Klingelbrett zeugt davon. Stadt Köln ist auch mit im Boot. Und wer hat sich bloß die Mühe gemacht, dieses riesenhafte Schild anfertigen zu lassen betreffend der Änderung der Adresse des Hauses. Und wozu? Und das Gekritzel auf der Fassade, im Vorübergehen hinterlassen - auch wieder so lieblos, so UNAUFMERKSAM.

Bild 264 - Susann

Das Bild erinnert mich an zweierlei: Einmal an ein anderes Bild von Susann (glaube ich), nämlich an diese Schallschutzmauer mit dem bewölkten Himmel darüber, das Bild in einer Art Sepiatönung und vor allem ähnlich verträumt wie die 264. (Jetzt sind schon so viele Bilder online, dass ich mich echt nicht mehr durch alle durchklicken kann!) Und ich fühle mich mal wieder an den Künstler Christian Boltanski erinnert. Ein spannender Künstler! Er hat einmal eine Fotoserie gemacht von Häusern, in denen ein Mord geschehen ist. Eine Untersuchung darüber, ob man die unglaubliche Drastik dieses Geschehens im Antlitz der Gebäude wiederfinden kann.
Das Bild 264 hat ja ein ganz gewöhnliches Sujet zum Gegenstand - IRGEND EIN GELÄNDER, ein Treppenabsatz  in einem öffentlichen Gebäude. Das ist eigentlich erst mal GAR NICHTS. Aber wir sehen es wie durch einen Schleier. Wir können ja erkennen, wie dieser Schleier zustande kommt, aber das ist nicht wichtig, es drängt sich nicht auf. Durch den Schleier wirkt es so, als ob wir nicht diese Dinge selbst sehen würden sondern das Bild eine Darstellung DER VORSTELLUNG von diesem Ort oder der ERINNERUNG an diesen Ort ist. Und das lädt nun diesen Ort mit Bedeutung auf, denn wenn er keine Bedeutung hätte, dann würden wir uns ihn nicht vorstellen oder uns an ihn erinnern. Wenn ich das Bild anschaue, dann habe ich tatsächlich das Gefühl von Bedeutung, etwas überspitzt ausgedrückt: von Drastik. Und für mich wird es zu einem Beleg dafür, dass das Drama des Menschseins sich durchaus und vor allem im Alltäglichen, Gewöhnlichen wiederfindet, nicht im Besonderen, in der Ausnahme. Ich hoffe, Ihr konntet mir folgen, und dass ich diese Gedanken an diesem Bild festmache.

 

Nun, die beiden Bilder gehören ja irgendwie zusammen. Und ich finde sie sehr ähnlich in ihrer Wirkungsweise. Wenn man ehrlich ist, muss man anerkennen, dass die #266 noch puristischer, noch kompromißloser ist, als die #264, aber die #264 ist dafür verträumter.

Bild 266 - Susann

Ein schönes Objekt. Diesen Gegenstand so prall ins Format zu setzen, ist eine gute Entscheidung gewesen. Obwohl rechts und oben ein Hauch mehr Platz nicht geschadet hätte.

von Thomas

Platz 1 - Cornelia

Platz 2 - Cornelia


PLATZ 1 und PLATZ 2 - eine schöne Serie. Ich finde die Bilder überraschend spannend und vielschichtig in ihrer starken Reduktion. Aber dann darf da natürlich nicht so ein Blatt rumliegen wie bei PLATZ 2!

von Uschi

Nicht ganz einfach. In diesem Bild wird ja ein formal-ästhetisches Prinzip auf‘s allergröbste verletzt: Die linke Bildkante verläuft genau tangential zur kreisförmigen Öffnung des Hydranten - der Kreis ruht quasi auf der Bildkante. Das macht man nicht! :-) Wieder wird die Bildkante so sträflich betont. Außerdem: Unser Auge will es immer eindeutig haben. Entweder Platz oder angeschnitten. Alles andere ist unbefriedigend.
ABER: Wir haben hier wieder ein Bild das mit wunderbar enttäuschten Erwartungen punktet. Das Objekt verleitet sehr stark zu einer symmetrischen Aufnahme. Technische Objekte sowieso, symmetrische Objekte erst recht. Außerdem ist der Aufnahmeabstand so gering, dass das Objekt sowieso fast nur gerade so ins Format passt. Und doch war Uschi so mutig und originell, sich diesem Diktat der Symmetrie nicht zu beugen und überrascht uns hier mit einem Bild, das eine ungeheuerliche Schlagseite aufweist, wo es eigentlich schon fast unmöglich war, das Gleichgewicht zu stören. Mir gefällt‘s! Außerdem: Man beachte die feine Beziehung zwischen Hydranten und Haus, die ja auch tatsächlich naturgegeben ist!

Wir kennen dieses Bild! Wir kennen dieses Thema, und offensichtlich betrifft es uns stark. Es geht um Individualismus und Massenkultur. Die Massenkultur wird durch das serielle, musterhafte der Architektur versinnbildlicht, der Individualismus durch die Abweichungen, die innerhalb der Struktur sichtbar werden. Das Thema betrifft uns alle. Diese Metapher ist ... irgendwie sehr funktional, durchaus auch im Guten! Hier in diesem Bild empfinde ich die leeren, nicht vereinnahmten Elemente links und durchaus auch die fiese Taubenabwehr als besondere Würze.

von Susanne

Wie mir scheint, hat Susanne ihr Faible für Stadtlandschaften entdeckt. Wir haben hier konventionelle aber sehr stimmungsvolle Stadtlandschaften.

 

Übrigens, kleiner Einschub: Bei zwei Bildern fährt / geht jemand durchs Bild. Es sieht so aus, als könntest Du sogar darauf gewartet haben. Aber ich finde, es schadet den Bildern mehr, als dass es ihnen nützt. Die Stimmung der Bilder, die Ausstrahlung der Stadt ist so eindringlich, dass der Gedanke, dass da jemand gerade Brötchen holen geht, sich eher banalisierend auswirkt.

Reiter - Alex

Zunächst wollte ich es nicht auswählen, weil ich mich ja am Ende meistens doch nicht traue „nur“ ein lustiges Bild zu nehmen. Aber diesmal muss es sein. Wir müssen zudem anerkennen, dass uns dieses Bild zwar zum lachen bringt, aber nicht, weil es so lustig ist, sondern weil es frech ist, herrlich respektlos, voller unbändiger Schadenfreude, lustvoller Subversion, ungebremster Freude an Demontage und Zerstörung. Wir kommen nicht umhin, über dieses fröhliche Zerstörungwerk aus vollem Halse mit-lachen zu wollen. Schön ist nicht nur, dass der Reiter ein so ernstes und hoheitsvolles Gesicht aufsetzt. Das Kunstwerk selbst ist ernst, ein aufwändiger und durchaus bemühter Versuch einer Gesellschaft, vor sich selbst und den nachkommenden Generationen bestimmte Wertvorstellungen hochzuhalten. UMSO TIEFER DER FALL!!! Ein Molotow-Cocktail ist nichts dagegen!
Und was ist es nun? Eine Pfadfinder-Mütze? Eine Pusteblume? Hat er einfach nur einen an der Klatsche? Ist es echt oder gephotoshoppt, Sonne oder Wolken? SCHEISSEGAL! Es ist dem würdevollen Getue mit unverfälschter kindlicher Freude mitten ins Gesicht gelacht!

Serie: weiß/blau/schwarz/rot - Cornelia

Die Schirme zu fotografieren ist eine tolle Idee. Diese ganze Schirm-Serie wirkt ja stark dadurch, dass die Schirme die Gestalt von Bäumen annehmen, moderne, städtische Bäume sind, die in der Stadt scheinbar planlos umher stehen, wie Bäume in der Landschaft. Sie fügen sich optisch in die Stadt, wie Bäume sich in die Landschaft fügen. Das ist spannend.

Bei SERIE GRAU kommt noch hinzu, dass sich die Schirme mit ihren durch die Faltung kubistisch gebrochenen Werbeschriftzügen vor dem gleichfarbigen Hintergrund fast vollständig auflösen, was uns als Betrachter stark herausfordert und, was noch mehr ist, wieder diese Assoziation LANDSCHAFT / WALDLANDSCHAFT wachruft, weil ja auch hier Bäume nicht mehr einzeln sondern eben als Wald wahrgenommen werden. Zum Glück sind die Werbeschriftzüge auf den Schirmen aber auch der Schriftzug und das Logo über der Kneipentür so stark gebrochen oder angeschnitten, dass sie nicht mehr als störendes Branding in Erscheinung treten. Sehr geschickt angerichtet!

Serie: grau - Cornelia

SERIE GOLD ist witzig. Aufgrund der Komposition erwarten wir, dass das angeschnittene Objekt im Vordergrund das gleiche sein muss, wie das im Hintergrund - also der Eistüte. Natürlich sehen wir, dass dem nicht so ist, aber wir werden das Gefühl nicht los, dass es so sein müsste! Und natürlich lebt das Bild davon, dass die Eistüte irgendwie ein bisschen unanständig und durch den vollkommen deplatzierten goldenen Anstrich auch noch zusätzlich ein recht morbide ist. Eisdiele ab 18!

Serie: gold - Cornelia

Dom - Cornelia

Auch DOM gefällt mir. Nicht wegen des Doms - diese Interpretation ist ja gottlob nicht zwingend - sondern weil es so herrlich reduziert ist auf diese beiden so konträren Elemente: die organische, verzweigte, lebendige Baumkrone und den toten Schirm, der aber irgendwie auch wie ein Baum wirkt.



von Claudia

Dieses Bild ist richtig fies. Im Sinne von „gemein“. :-) Ich kann nur darüber spekulieren, was hier wieso gemacht wurde. Aber es scheint mir durchaus ungewiss zu sein.
WAS wird hier eigentlich angesehen? Eigentlich müsste es ja die Puppe sein, ihr Gesicht ist ja auch in der Bildmitte. Draufgehalten und ZACK! Aber die Puppe ist ja unscharf! Scharf dagegen ist der Lieferwagen, der sich in der Scheibe spiegelt, so ungeheuerlich hässlich und dazu noch durch die Spiegelung des Sonnenlichts so ungebührlich überbetont! Aber auch das scheint nicht so ganz hinzuhauen, denn unsere Blicke wandern immer wieder zur Puppe hinunter - obwohl sie rein gar nichts zu bieten hat, stereotyp wie sie ist! Also - das ist eine seelische Herausforderung. Aber wenn man die Blicke eine Weile zwischen diesen beiden abstoßenden Gegenständen hin und her hat wandern lassen, hält man es nicht mehr für möglich, dass es zwischen ihnen keine Verbindung geben sollte . Das kann nicht sein! Und da sind wir wieder beim Surrealismus der zusammenbringt, was scheinbar nicht zusammen gehört. Nach einer Weile können wir diese beiden Dinge gar nicht mehr ohne einander DENKEN!

von Uschi

Kubismus live und wahrhaftig! Die zerlegte Wirklichkeit.

Hier überrascht mich die Position des dunklen Eingangs in die U-Bahn-Station. Auch dies ist ein Motiv, das Symmetrie nahe legt. Hier wurde sie vermieden, was zu einem sehr anregenden Ungleichgewicht führt!

von Claudia

Sagen wir: Die Reichweite solcher Bilder ist nicht unbegrenzt. Soviel ist sicher. Aber dieses hier hast Du einfach mal sauber hingekriegt. Der Geist der Marta B. aus Kölle. Zuletzt gesehen im Sommer 1978, als sie Richtung Kiosk die Bonner Straße überquerte.

von Ines

Interessant: Hier haben wir oben im Bild den Treppenabsatz von dem Bild von Susann. Ist natürlich eine andere Perspektive aber wieder durch die Scheibe Fotografiert. Hier auf Uschis Bild ist die Spiegelung THEMATISIERT. Das bringt das Bild in eine vollkommen andere Richtung! Seht Euch an, wie unterschiedlich diese beiden Bilder sind!

von Uschi

von Thomas

Ja, ok, eine Schmuddelecke. Aber es ist nicht nur eine Schmuddelecke. Wir spüren, dass die Steckdosen eher verborgen sein sollten und haben das Gefühl, etwas Verbotenes zu betrachten. Und obwohl wir Verwitterung, Abnutzung und Vergänglichkeit jedweder Couleur sehen, haben die Indizien in diesem Bild ganz und gar nichts Sentimentales an sich. Im Gegenteil: So sieht der echte Dreck aus! Für mich kommt auch noch ein spannender ästhetischer Effekt hinzu. Die Schatten - vornehmlich die Unterseite des Mauerabsatzes, auf den wir schauen - sind ganz merkwürdig blass. Ich verstehe nicht, woher das kommt. Es wirkt, wie durch eine Scheibe fotografiert, aber ich kann keine Scheibe sehen. Oder das Gegenlicht ist direkt auf die Linse gefallen und hat den Kontrast gemindert. Oder es ist in Photoshop abgewedelt worden. Wie auch immer - dieser leichte Mangel an Dynamik korrespondiert wunderbar mit dem echt unansehnlichen Bildgegenstand.
Übringens: Der Stecker könnte unten einen Hauch mehr Platz vertragen.

von Jörg

Für mich eine Hommage an Elliott Erwitt, der Humorist unter den klassischen Fotografen. Ok, es ist ein OBJET TROUVÉE, Jörg hat es nicht erfunden - aber es war bestimmt nicht leicht zu finden - diese Schlange, die aus dem Boden schnellt, um dem Müllsack in den Arsch zu beißen!

von Jörg

Viel Gutes in dem Bild. Spannung pur. Aber schade, dass die Plakate einfach zu präsent sind und die Wirkung dieser tollen Konstellation überstrahlen.

von Annette

Zunächst habe ich es mir gar nicht genau angesehen. Wir machen uns ja in der Gruppe oft darüber lustig, dass es „verbotene“ Motive gibt, mit einem Augenzwinkern freilich. Natürlich gibt es sie tatsächlich, diese schwierigen Motive, abgegriffen, zu oft bemüht, festgelegt, archetypisch, und es geschieht nicht ganz ohne Grund, dass man beginnt, über diese Fotos hinweg zu sehen. Aber es gibt ja eben auch immer diese berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Hier ist so eine. Müll, Sperrmüll, noch allgemeiner: Weggeworfenes. Das ist ein abgegriffenes und festgelegtes Motiv. Sofort steht eine Palette an Interpretationen und Zuordnungen parat: Vergänglichkeit, Tod, Wohlstandsgesellschaft, Überfluss, Verschwendung usw.  Dieses Bild hier trägt das alles in sich, aber doch entzieht es sich der vorbestimmten Interpretationen. Diese Gruppe von Stühlen steht so schön und so hermetisch beisammen, dass sie Tod und Verderben weit hinter sich lässt. Stattdessen wirkt sie fröhlich wie eine Grundschulklasse am Ende der großen Pause. Das Bild bekommt dadurch eine große Leichtigkeit obwohl ja weit und breit nichts Schönes zu sehen ist! Und eine Tiefe dadurch, dass es in einem ganz ungekünstelten Dokumentarstil aufgenommen wurde.

von Renate

Das Bild sagt nichts über die Welt aus oder uns oder das Weltall und den lieben Gott. Schade. Aber es bringt unsere Gehirnströme auf Touren. Ich habe eine Weile gebraucht, ehe ich verstanden habe, was hier passiert. Sobald man gesehen hat, dass alles seine Ordnung hat, verliert das Bild ein wenig seiner Wirkung.

In der Tat: Wir werden neugierig. Ich bin kein Architekt, aber mir scheint, dass zwischen der Tür und dem dahinter liegenden Raum ein heftiger Widerspruch besteht. Außerdem zwischen dem zarten Rosa und der Größe des Bauwerks und zwischen dem historisierenden Kronleuchter und der sehr bodenständigen Stadtansicht, die wir als Spiegelung im Fenster sehen. Auf den ersten Blick ein gewöhnliches Architekturfoto - auf den zweiten Blick ... ein UNGEWÖHNLICHES Architekturfoto! :-)

von Susanne

Eine postapokalyptische Impression. Ja, wir geben zu, hier wurde dick aufgetragen. Die Stimmung ist plakativ angelegt, die Leuchtwerbung scheinbar absichtsvoll dort platziert, aber gleichzeitig ist das Bild so wohltuend chaotisch und unaufgeräumt, was ihm wieder so einen Anstrich von Wahrhaftigkeit verleiht. Besonders die Strippe ist gleichzeitig so prominent und so unbedeutend, dass man gar nicht weiß, was man von ihr halten soll. Und, natürlich, hier sieht man wieder, was wir sowieso schon immer geahnt haben: Wir sind dem Himmel so nah - und doch so fern!

Ich möchte meine Auswahl mal pointiert begründen: Oft ist ein Foto, auf dem ein Tier abgebildet ist, ein Tierfoto. Und Tierfotos können wir ja hier nicht gebrauchen. Wir wollen ja Fotos sehen, die etwas mit uns zu tun haben. Stichwort: Universeller Charakter. Die Probleme einer Kuh und wie sie mit den Fragen ihres Daseins ringt, das ist ja nicht unbedingt leicht nachzuvollziehen für uns. In diesem Bild jedenfalls sehen wir etwas, das wir auf uns beziehen können, OBWOHL ein Tier im Vordergrund steht. Wir sehen dieses Insekt aus der Totalen. Und wir spüren sofort, dass wir aus unserer Perspektive ihre Welt besser sehen können als sie selbst, die sie auf ihrer Welt ja geradezu drauf sitzt. Und das erinnert uns an uns selbst: Das was uns wirklich betrifft, das können wir gar nicht begreifen, weil es uns so nahe ist, dass wir es nicht überblicken können.

von Susann

Herrlich! Zum zweiten Mal wird Friedrich Wilhelm hier so schön schadenfroh verhöhnt! Nicht nur steht das Hinterteil des Tieres im Vordergrund des Bildes. Es wirkt außerdem aus dieser Perspektive so, als ob Friedrich Wilhelm auf einem Esel sitzen würde! Hm, Postkartenmotive, ick hör dir trapsen!

von Susanne

Abgesehen von dem Straßenschild, das oben in die Ecke gedrängt wurde, ist das eine sehr konsequente Architekturaufnahme, die vor allem eines deutlich macht: Wie wenig Platz wir in unseren Städten haben.

von Thomas

von Ines

Das ist hier ja so ein WYSIWYG-Bild. Beule. Keine Hintergedanken - einfach nur: BEULE. Aber es gibt etwas an diesem Bild, das mich sofort gefessselt hat, und jetzt wollen wir mal sehen, ob ihr schon müde genug seid, um meinen Gedanken folgen zu können.
Normalerweise zeigt ja ein Bild etwas, das ist. Oder zumindest tut es so. Dieses Bild hier, und das ist das Fesselnde, zeigt etwas, das NICHT ist. Vorher waren da zwei Streben eines unversehrten Metall-Rolladens. Jetzt ist da eine Beule. Aber eine Beule ist ja eigentlich NICHTS, die Abwesenheit von etwas. Und dieser Gedanke, gepaart mit dieser schonungslosen WYSIWYG-Anmutung, der fesselt mich. Wir werden ganz direkt und ohne Umwege auf ... NICHTS aufmerksam gemacht!

von Nicol

Verspielt, poetisch, verträumt, aber durchaus auch sehr schön komponiert aus einer Mischung künstlicher und organischer Formen. Die Unschärfe der Schrift ist genau auf den Punkt!!!

von Alex

Das Setting dieses Bildes ist altbekannt. Blick zu Boden, geöffnete Tür, unsere Blicke überschreiten die Schwelle zusammen mit dem Licht. Tausendmal gesehen. Aber hier machen eine ganze Reihe von Abweichungen von der Norm ein neues Bild aus. Die Tür ist keine Tür sondern ein Gitter. Außerdem wird das Licht nicht durch das Gitter oder die Tür hereingelassen , sondern durch eine Gebäudeöffnung, die aber nicht im Bild ist. Der Dreck auf dem Boden kommt etwas unerwartet, die Fußmatte ist NICHT sexy, die Bodenfliesen ... - sind sie jetzt etwas Besonderes oder sind sie es nicht? Ist das 70ger-Jahre-Flair einer teuren Boutique im Zentrum von Mailand oder doch eher der Eingang zu einem Haushaltswarenladen in einer unbedeutenden deutschen Vorstadt - der vor 5 Jahren geschlossen hat? Alles Fragen und Ungewissheiten, die auf diesen Archetypus hernieder prasseln!

Köln, Heumarkt, im Mai 2021