Am Pionierbecken 3

von Annette

Auf den ersten Blick wirkt das Bild ein wenig grob und recht zufällig. Aber sobald wir etwas nachzuforschen beginnen, entdecken wir, dass es irgendwie verschmitzt ist. Offensichtlich wird aus dem Verborgenen heraus fotografiert. Der Mann nimmt eine männliche, dynamische, etwas agressive Haltung ein, die nicht viel Gutes verspricht. Offensichtlich tut er etwas Verbotenes, fuhrwerkt an so merkwürdigen Gebilden herum - wahrscheinlich wird hier gerade irgendwelches radioaktive Material entsorgt oder für den iranischen Geheimdienst versteckt. Endlich entdecken wir, dass wir in Wirklichkeit gerade einem Imker bei der Arbeit an seinen allerliebsten Bienenvölkern zuschauen. Ein Imker, mit seinen Bienen - Inbegriff einer nützlichen, naturnahen, nachhaltigen und gänzlich unschuldigen Tätigkeit. Eine Täuschung! Herbeigeführt mit explizit fotografischen Mitteln!

von Renate

Der Reiz dieses Bildes ist schnell erläutert: Diese vermodernden Baumstämme liegen so sauber aufgereiht da, so SERIELL, wie das normalerweise eher im Kontext industrieller Produktion oder ganz allgemein menschlicher Zivilisation vorkommt. So fallen ja keine Bäume hin. Und wenn sie geschlagen werden, dann natürlich nicht um dort liegen zu bleiben. Aber diesen Gedankengang haben wir so konkret gar nicht. Wir sehen das Bild an und horchen innerlich auf. Hinzu kommt ein ganz reizvoller Effekt: Die Bäume befinden sich ja ganz offensichtlich in einem organischen Prozess der Auflösung. Aber zusätzlich wird ihre Gestalt auch optisch durch die gesprenkelten Schatten aufgelöst. Eine schöne Übereinstimmung zwischen dem ästhetischen Effekt und der tatsächlichen Faktenlage!

Bild 128 - Susann

La vie en rose!
Susann hat ja wirklich eine sehr eigene Bildsprache. Man erkennt sie schon von weitem, sozusagen. Die Qualität dieser Bilder liegt darin, schön zu sein, ohne aber ins Billige oder Platte abzugleiten. Zum Teil ist das dem Umstand geschuldet, dass sie immer sehr fein, sehr differenziert sind - das hilft immer ganz gut gegen PLATT und BILLIG.

Auch der Schönheit der „Rosenbilder“ können wir uns nicht wirklich entziehen. Auf sie alle trifft das gerade gesagte zu. Ja, VIELLEICHT könnte man sie tatsächlich in einem Kalender platzieren, in einem guten Kalender, weil sie in jedem Fall auch elegant sind. Aber es ist keine Kalenderfotografie! Warum nicht? Weil sie wirklich fein und sensibel ist - wie gesagt. Aber das reicht nicht. Diese Bilder illustrieren eine menschliche Thematik ganz anrührend: Schönheit und Schmerz. Das Nebeneinander von Schönheit und Schmerz. Die Dornen stehen für Schmerz. Es pikst so richtig, wenn man sie anschaut. Und doch sind sie so zart und elegant, die Zeichnung des Geästs ist ebenso fein, und dieser feine Magentaton ist auch nur so hingehaucht. (In SW wäre das Bild nicht halb so viel wert!). Aber - wie gesagt -  bei all der Schönheit pikst es doch vernehmlich, und wie so oft im Leben denken wir: Mensch, wieso kann ich mich nicht einmal ungestraft hingeben ?!?!
Am besten gefällt mir Bild 128.
Bild 124 ist auch ein sehr schönes Bild, aber durch diese dusselige Blüte einer anderen Pflanze, das zentrale Bildelement, bekommt das Bild einen ganz anderen Inhalt. Hier geht es gar nicht mehr um SCHÖNHEIT UND SCHMERZ, hier geht es um FREMDKÖRPER. Ist weniger, wenn ihr mich fragt.
Bild 132 ist ebenfalls sehr schön, aber durch die Reduktion kommen Belange der Komposition stärker in den Vordergrund und Verwässern die Aussage.

Bild 124 - Susann

Bild 129 - Susann


von Susanne

Das Bild überrascht mich!
Ich habe den Bleistift am Anfang nicht gesehen, als das Bild noch kleiner auf dem Bildschirm war, und ich denke, da hat es mir NOCH besser gefallen. Aber lassen wir das erst mal dahingestellt. Es ist ja ganz einfach: Es gibt in diesem Bild eine auffällige und prägnante Form - den Baum im Mittelgrund - und es gibt eine unauffällige sehr unspezifische Form im Vordergrund - den angeschnittenen Baumstamm. Nun liegt aber die Schärfe auf dem unauffälligen Baumstamm, der auffällige Baum im Mittelgrund, die unruhige Gestalt, die unsere Aufmerksamkeit stark in Anspruch nimmt, ist dagegen unscharf. Das macht uns selbst ein bisschen nervös, aber insgeheim freuen wir uns über diese Herausforderung und dass wir nicht einfach nur schnöde bedient wurden! Aber jetzt entdecken wir den Bleistift, und der ändert natürlich alles. JETZT macht es Sinn, dass der Vordergrund scharf ist - klar! Aber trotzdem: Zum Ausgleich DEUTET der Bleistift nun wiederum auf den unscharfen Baum, er wird also in dieser neuen Konstellation doch wieder betont, nachdem ihm der Bleistift ja eigentlich gerade die Show gestohlen hatte. Und noch etwas beschäftigt uns ungemein. Ist es möglich, dass die Fotografin den Bleistift dorthin gelegt hat? Der Gedanke ist schier ungeheuerlich! Nein, das kann nicht sein. Sie muss ihn dort vorgefunden haben. Was wirklich nur wenig wahrscheinlicher erscheint - aber immerhin!

von Ines

Ja, also dieses Bild ist brutal. Doch was wollen wir? - Das Leben ist brutal! Gut, es gibt einen kleinen Überraschungseffekt, dieses Gebilde mitten im Wald vorzufinden. Doch dieser Überraschungseffekt verraucht alsbald, nämlich wenn wir unten im Bild die Leitpfosten entdecken, die nahelegen, dass wir uns nicht in ganz so tiefer Wildnis befinden. Und beim scrollen durch Ines‘ Bilder entdecken wir außerdem, dass es die Rückseite eines Autobahnschildes ist, das es ihr wohl besonders angetan hat. Doch das gilt nicht, denn diese Information ist nicht in dem Bild enthalten, um das es uns geht.
Wichtig ist etwas anderes. Die Brutalität, der absolut ungeschminkte Pragmatismus dieses Gebildes. Die Spuren von Regen und Feinstaub vermitteln das Gefühl, es sei langlebiger als die Natur die es umgibt. Man kann sich gut vorstellen, dass es noch dort stehen wird, wenn es die Menschheit schon lange nicht mehr gibt. Und natürlich ist es ein Symbol, ein Hinweis, ein Stellvertreter für menschliche Kultur. Bestimmt werden eines Tages die Marsmenschen es mit nach Hause nehmen und dort in ihrem Museum über den Planeten Erde ausstellen. Es hat diese skulpturale Anmutung, denen die Bechers auch auf der Spur waren. Sie haben ja in diesen eigentlich nach rein pragmatischen Gesichtspunkten geschaffenen Gebäuden, Anlagen oder technischen Einrichtungen absichtsvoll gestaltete Marker der Kulturgeschichte gesehen. Oder sie eben als solche „behandelt“. Fürwahr, das war prägend!
Aber noch sind Ines Verdienste nicht genügend gewürdigt worden! Sie hat nämlich nicht mit Bedacht, Großformat-Kamera und Stativ gearbeitet sondern aus der Hüfte geschossen. Oft schafft Technik nämlich auch Distanz. (Aber nicht immer!). Dieses Bild ist jedenfalls sehr direkt, ganz unmittelbar, auch daher rührt die Brutalität! Zum Beispiel hat Ines die Kamera nicht ganz gerade gehalten. Bestimmt nicht absichtlich sonst wäre es deutlicher. Aber gerade dieser kleine Fehler konfrontiert uns noch schonungsloser mit diesem eiskalten, pragmatischen Objekt.
Ok, jetzt halte ich aber die Klappe!

von Uschi

Die biologische Bildstörung. Klimaneutral und nachhaltig. Abgesehen davon, dass sich das Bild ja ganz nett anschaut, gibt es tatsächlich diese Bildstörung als ästhetisches Erlebnis, die wir so gar nicht mit dem natürlichen Ambiente in Einklang bringen können.

Bild 3 - Nicol

Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich muss gestehen, dass es auch etwas damit zu tun hat, dass ich diesen Eindruck von unbändiger Natur berauschend finde. Das ist natürlich ein persönliches Motiv, wie ich gestehen muss, und das gilt ja nicht. Dafür möchte ich mich entschuldigen :-). Auf den ersten Blick wirkt es wie ein tropischer Regenwald. Ich vermute, dass dieser Eindruck vor allem durch den Nebel oder Dunst entsteht, der in der Luft zu liegen scheint. Bei näherer Betrachtung sieht man, dass die Natur eigentlich gar nicht so bombastisch ist, weder exotisch, noch besonders alt, noch besonders gesund. Aus der Traum! Aber dieser Eindruck von Regenwald trägt. Und das Gefühl, dass es jenseits der Bildränder noch ewig so weiter geht, das dadurch entsteht, dass hier fast ein Muster, eine Struktur fotografiert wurde anstatt einzelne prägnante Bildelemente in einer Komposition zu vereinen.

Bild 9 - Nicol

Dieses Bild geht in eine ähnliche Richtung. Und ich bin mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht sogar ein bisschen besser ist als Bild 3. Als Bild ist es etwas anspruchsvoller. Einerseits blicken wir mitten in das organisches Chaos, für das Natur ja steht. Hier haben wir aber tatsächlich auch noch diese Komposition aus prägnanten Bildelementen, von der ich unter Bild 3 sprach. Diese Balance zwischen organischer Struktur und großteiliger Komposition ist spannend und anspruchsvoll.

bestimmt - Cornelia

Es war gar keine Liebe auf den ersten Blick, ich habe zuerst darüber hinweg gesehen. Aber hinter dem vordergründig Nichtssagenden kommt einiges zum Vorschein, das uns durchaus nahe geht, das uns zu betreffen scheint. Das Bild stellt eine feine Balance zwischen Ordnung und Chaos her. Wir finden ganz viel Vertrautes, tausendmal gesehen: Fußgängerbrücke mit Geländer, verzinktes Laufgitter, Zaun, Park, Bäume, Pfosten. Von  allem nicht unbedingt die Deluxe-Version sondern eher die ausgedienten Exemplare. Aber in diesem ganzen unbestimmten Einerlei scheint es eine Ordnung zu geben, eine Idee, einen undurchdringlichen Masterplan, der alles zusammenhält und miteinander in Beziehung setzt. Wenn nur alles einen Sinn ergibt, dann ist es gut.

von Jörg

Es gibt ja so eine philosophische Fragestellung, ob die Dinge nicht erst dadurch zu existieren beginnen, dass wir sie sehen / wahrnehmen. Diese feinen Blätter reihen sich so aneinander wie Noten auf einem Notenblatt. Irgendwie KÜNSTLICH. Irgendwie MENSCHLICH! Das kann aber ja eigentlich gar nicht sein! Also muss es unsere Wahrnehmung sein, die hier etwas vertrautes, etwas reizvolles entdeckt, EINE ORDNUNG - ... DIE ES GAR NICHT GIBT! :-)

von Jörg

Ein ähnlicher Reiz geht für mich von diesem Bild aus. Hier ist es nicht unbedingt eine geheimnisvolle, nicht zu entschlüsselnde ORDNUNG, hier ist es ein Muster mit einer starken grafischen Wirkung, das eine augenscheinlich organische Unordnung zu einer künstlichen Ordnung zu sublimieren scheint.

von Jörg

Und nochmal! Sehr schön, dieses feine Liniengeflecht in verschiedenen Ebenen, wie von Künstlerhand erschaffen! Dabei war es nur der Zufall!

 

Im Grunde ergeben diese drei Bilder wirklich eine schöne kleine ästhetisch sehr reizvolle Serie von Naturaufnahmen, die zwischen einer organischen und einer künstlichen Ordnung oszillieren. Schön gesehen!

von Evelyn

Ist dieses Bild nun eine Nature Mort, oder ist es keine? Das Bild hat eine unbändige Dynamik, was dagegen spricht! Und es gibt ja diese vorwitzigen Grashalme, die für Leben und Erneuerung sprechen. Die Bäume aber haben es hinter sich. Was ich spannend finde, sind die beiden unterschiedlichen Todesarten, die hier vorgestellt werden und so einträchtig beieinander weilen: Der industrielle, forstwirtschaftliche Tod durch Motorsäge, und der ökologische Tod durch umfallen und langsam verrotten.

von Claudia

Das Bild kippelt ja ganz schön zwischen Idylle und Horror hin und her. Auf den ersten Blick Idylle. Dann sehen wir die Autos und Lastwagen. Dann wird uns klar, dass sie mit hohem Tempo und bestimmt ohrenbetäubendem Getöse eine Autobahn entlang brausen. Und schließlich entdecken wir die beiden Spaziergänger, die offenkundig inmitten dieses Lärms eine Rast einlegen. Mahlzeit!

von Susanne

von Susanne

Bei diesen beiden Naturbildern spüre ich Anklänge von Renger-Paatsch. Googelt den mal! In seinen besten Momenten war Renger-Paatsch gleichzeitig grob und fein oder archaisch und differenziert. Wir haben hier in diesen Bildern eine recht großteilige Komposition, die ganz ohne Geodreieck ins Format gesetzt wurde. Und doch haben wir das Gefühl, dass alles da ist, wo es hingehört und trotzdem die Natur sich mit ihrem ganzen Ungestüm vor unseren Augen ausbreitet. Das mögen wir!

Wir meinen, das Bild zu kennen. Tote, entlaubte Bäume vor grauem Himmel. Dramatische, dystopische Anleihen. Saurer Regen. Aber die Blätter, die hier oben rechts ins Bild kommen, verhindern, dass dieses Bild auf den bekannten Stereotyp reduziert bleibt. Es wird deswegen noch kein fröhliches Bild daraus, aber es bekommt eine leicht verspielte und unvorhergesehene Note, die mich fesselt.

von Evelyn

Mein erster Gedanke war, dass das Bild simpel sei und vielleicht etwas unentschieden oder unspezifisch. Macht es wirklich Sinn, dieses Rinden-Fragment im Vordergrund scharf zu stellen? Warum? Sollen wir irgendetwas darin Erkennen?
Doch das Bild entfaltet nach einer Weile eine dunkle, archaische Kraft. Es hat etwas Grobes oder eben archaisches an sich, aber gleichzeitig erzählt es davon, wie zerbrechlich und ungewiss das Leben ist. Man hält die hintere, unscharfe Form für eine Spiegelung der kleinen, scharfen Figur im Vordergrund - wie eine Projektion. Beide Figuren wirken wie einem Gebirgsmassiv entnommen, vorne ein schmaler Grat, hinten die furchterregende Steilwand. Und dazwischen? Dazwischen, der tonnenschwere Baumstamm, ist weg, abgesägt. Der Baumstumpf steht noch, und es wirkt nicht, als ob er ganz leblos wäre. Dennoch: Das Bild stellt dar, was nicht mehr ist.

von Renate

Ein ähnlicher Reiz wie das ähnliche Bild von Claudia. Das Bild ist ja so still und friedlich. Man braucht eine Weile, um zu verdauen, dass man auf eine stark befahrene Autobahn schaut. Hier ohne Spaziergänger, dafür ist der Reigen der Lastwagen besonders schön gelungen! :-)

von Alex

Ein feines Bild. Ein überaus poetisches Bild. Aber keinesfalls ein liebliches Bild! Das Bild ist wunderschön, aber die Darstellung der Natur selbst ist keinesfalls lieblich oder beschönigend. Seht Euch die Bäume an! Das ist ein abgehalfterter junger Vorstadt- Wald. Richtig abgerockt! Die dürren Bäumchen haben gar keinen Platz, ein bisschen Fleisch anzusetzen. Das ist nicht schön ... - aber immer noch besser als gar nichts! Für‘s erste tröstet uns das zaghaft gesprenkelte Grün ein wenig. Und dann ist da noch der Blick in den durchwachsen bewölkten Himmel. Obwohl wir den Berg hinab sehen, blicken wir in den Himmel, der sich im See spiegelt. Während die Sonne aus dem ECHTEN Himmel heraus von links durch den Wald streicht. Ihr erinnert Euch an diese etwas populäre aber doch brauchbare Definition von Kitsch: KITSCH IST DIE ABWESENHEIT VON SCHEISSE. Hat irgendjemand bei Google gefunden. Das kann man auch auf dieses Bild anwenden - im umgekehrten Sinne, weil hier die Scheisse sehr wohl gezeigt wird, können wir uns der Schönheit des Bildes guten Gewissens hingeben.

Hier muss ich an die klassische amerikanische Landschaftsfotografie denken, an Anselm Adams und seine Mannen. Die Gruppe f64. (Weil sie die Tiefenschärfe vergöttert haben.) Etwas plakativ aber trotzdem solide komponiert. Außerdem hat man das Gefühl, Natur in ihren diversen Aggregatzuständen zu erleben.

von Renate

Die Weite! Das fein gekräuselte Wasser! Und der Wald als Spiegelung, der in Relation zum feinen Gekräusel zu groß wirkt, geheimnisvoll, und obwohl wir wissen, dass er ja direkt über dem oberen Bildrand tatsächlich liegen muss, sind wir uns irgendwie nicht ganz sicher, ob es ihn wirklich gibt! Und an Gemälde von Gerhard Richter muss ich auch denken!

von Evelyn

von Uschi

Schön wild! Das „A“ steht offensichtlich für ANARCHIE!

von Renate

Bitte mit dem ähnlichen Motiv von Alex mal vergleichen. Wie unterschiedlich sie sind!

von Cornelia

Auch hier dieses wohltuende organische Chaos, die beiden Roten Elemente, der Wildzaun, die Birke. Kluger Schachzug, nicht den Vordergrund scharf zu stellen, so bleibt das Bild viel geheimnisvoller.

Ein RAUHBEINIGES Bild, das recht ungekünstelt und wie zufällig das scheinbar planlose, chaotische vorgehen von Natur zum Gegenstand hat.

von Ines

von Uschi

Dieses Motiv habe ich gefühlt schon ein halbes Dutzend Male gesehen. Und jedes mal war es anders, obwohl es ja nun wirklich kein besonders unauffälliges Motiv ist. Auf den ersten Blick erkennen wir jede Menge abgegriffener Symbolik und wollen das Bild schon abtun. Aber plötzlich werden wir einer ganz überraschenden Leichtigkeit gewahr. Die Symbolik, die uns präsentiert wird, wird sofort infrage gestellt. Wir haben diesen strengen Bildaufbau, die rechten Winkel, Horizontalen, Vertikalen und Diagonalen. Das passt schon mal nicht zu Symbolismus, das ist einfach nicht geheimnisvoll genug. Und dann gibt es noch unten im Bild diesen Stamm, der auf einer kleinen weißen Fläche ruht. Wir können nicht anders, als das als Fußmatte wahrzunehmen, die folgerichtig natürlich vor einer Tür, einer Haustür einer Eingangstür zu liegen hat. Aber die Fußmatte liegt offenbsichtlich auf der falschen Seite der Tür, denn der Weg, der sich in der Ferne verliert, das muss doch draußen sein, und wir betrachter stehen drinnen. Das Bild steckt voller merkwürdiger Ungereimtheiten, die uns ganz schön auf Trab halten!

von Annette

Es hat etwas Liebliches, aber es ist nicht dämlich. Es hat etwas Verheißungsvolles, aber es ist nicht platt oder salbungsvoll. Es kippt sehr schön zwischen Ordnung und Chaos hin und her und zwischen Mikro- und Makrostruktur. Die Bäume lassen genau so viel Licht zu uns durch, dass wir sie in der Hoffnung auf mehr weiter anstarren. Gut, dass das Bild in Farbe aufgenommen ist! In SW wäre es nur grafisch, in Farbe aber kommen die Blätter als leicht gesprenkelte grüne Fläche sehr schön zum Tragen.

von Nicol

Nun, Nebel ist ein attraktives und dankbares Motiv. Naturgemäß erscheint das, was im Nebel liegt, unerreichbar und fern. Hier ist es die Natur -  gerade, weil der Wald so geballt dasteht und wir ihn aus einer gewissen Entfernung betrachten, wirkt er wie ein unerreichbarer Sehnsuchtsort.

Hier haben wir einmal wieder eine Spiegelung, die sich nicht als Spiegelung verkauft. Ich kann ja auf die meisten Spiegelungen verzichten. Aber dieses Bild nehme ich gar nicht so sehr als Spiegelung wahr. Bestimmt trägt dazu bei, dass uns Simone das Bild auf dem Kopf präsentiert. Ja, das ist erlaubt, und schon fällt es uns viel leichter, hier ein opulente Landschaft mit einem Kaspar-David-Friedrich-Himmel zu sehen. Nur der Wald behält eine unwirkliche Erscheinung, und von oben kommt Schmutz ins Bild, der uns daran erinnert, dass wir es mit einer Spiegelung zu tun haben. Insgesamt ein unwirkliches aber in sich ganz stimmiges Bild.

Der Hintergrund dieses Bildes hat die Anmutung eines Fußball-Trikots. Und der Rest des Bildes, der Vordergrund und der Mittelgrund, haben so GAR NICHTS in dieser Richtung vorzuweisen. Wie diese Äste ins Bild ragen, das hat etwas irgendwie DRECKIGES an sich. Besonders diese zunächst stärker anmutenden Äste, die sich zu unserer Verblüffung bei näherer Betrachtung als unscharf zeigen - was bedeutet, dass sie uns ganz nahe sind. Das Bild poltert so fröhlich daher und ist dabei ganz verspielt.

von Alex

Das Bild ist lieblich, aber es hat eine gewisse Tiefe. Wir können uns an den Blüten laben, aber ohne uns schämen zu müssen. Die Komposition ist für das Genre ungewöhnlich. Vor allem die unscharfen, nackten, dunklen Äste, die von oben auf die zarten Blüten drücken, stören das Idyll aufs ... allerliebste!

Frühling - Cornelia

von Annette

Ein Bild auf den ersten Blick. Große Dynamik, große Symbolik. Natürlich ist es schön, dieses geometrische Muster durch einen Ast jäh beendet zu sehen, und dahinter verliert sich ein Waldweg in der Ferne. Aber es ist auch wirklich sehr laut, das Bild, und sobald der Lärm sich gelegt hat, bleiben wir ein bisschen ratlos zurück. 

Ich kann es nicht erklären, aber alles, was in diesem Bild HINTER den Bäumen kommt, das Feld, die aufgeräumte Kulturlandschaft, wirkt unecht. Nicht wie ein Bild, sondern wie ein Bild von einem Bild, eine Fiktion, eine Projektion aus der Vergangenheit, ein Traum. Ohne diesen Effekt wäre das Bild banal, aber so betrachtet scheint es eine große Sehnsucht zu transportieren.

Wenn man die Rosenbilder von Susann mit diesem Baumstamm vergleicht - an sich ein sehr schönes Bild - muss einem das Bild geradezu grobschlächtig erscheinen!

von Susann

von Alex

Als hätte ein Marsmensch uns die Bauanleitung für einen revolutionären Verbrennungsmotor hinterlassen wollen. Und wir merken es nicht! Kryptisch. Allein ein Verdienst des gewählten Ausschnitts.

von Claudia

Alte Bekannte, wie mir scheint. Ist es die gleiche Stelle von Annettes Bild? Ich kann es nicht sagen. Aber es ist ein ANDERES Bild. Hier passiert ja zunächst etwas ganz Einfaches aber trotzdem Tragfähiges: Das verlorene Paradies. Das versperrte Idyll. An dieser Interpretation kommen wir nicht so richtig vorbei. Macht aber auch gar nix. Es ist nichts Neues, aber hier geht es ja auch um eine Fragestellung, die den Menschen nie in Ruhe gelassen hat und nie in Ruhe lassen wird. Paradies / Utopia / Vertreibung aus ersterem / Erbsünde etc. Das Bild illustriert sehr glaubhaft die Sehnsucht nach etwas, dessen wir nicht habhaft werden können. Aber es kommt etwas hinzu, das ich sehr spannend finde. Das Gitter unterbricht ja die Landschaft oder zerteilt sie vielmehr. Das Bild wäre aber ein ganz anderes, wenn sich das Gitter über das gesamte Bild legen würde. Stattdessen tritt unten ja ganz massiv der Stahlrahmen in Erscheinung und beschließt das Bild. Wenn ihr jetzt mal das Bild einen Augenblick anstarrt, werdet ihr (vielleicht) merken, dass plötzlich der irreale Eindruck entsteht, die Landschaft würde hinter dem Stahlrahmen gar nicht weitergehen, sie sei nicht real sondern ein Bild, das hinter dem Gitter hängt, und mit dem Stahlrahmen endet. Und das verstärkt natürlich ganz erheblich diese Idee des unerreichbaren Idylls, denn es stellt infrage, ob es das Idyll überhaupt gibt. Dieser erschütternde Gedanke lässt uns sogar den ganzen Rost vergessen, der, weil er ja so sentimental konnotiert ist, normalerweise unseren heftigsten Widerspruch erwecken würde! :-)

Köln-Rath-Heumar, im April/Mai 2021