Flittarder Damm

Ich mag dieses Bild! Für meine Verhältnisse ist das ein recht "reißerisches" Bild. Aber beim zweiten Hinsehen, ist es nicht mehr NUR reißerisch. Reißerisch ist das Licht, der Kontrast. Aber die Pflanze ist rätselhaft und scheint nicht aus unseren Breitengraden zu stammen. Es sieht mehr so aus wie "neulich jenseits  der Stadtgrenze von Las Vegas." Und natürlich können wir die moderne Straßembeleuchtung nicht ignorieren. Schön ist das ja nicht. Und es sieht auch nicht aus wie Las Vegas. Ich würde sagen, die Straßenbeleuchtung "banalisiert" das Bild auf wohltuende Weise. (Wohltuend für den kulturbeflissenen Betrachter - nicht für das vermeintliche Kaktusgewächs.)

von Uschi

Dieses Bild ist witzig. Einiges ist äußerst rätselhaft: Was soll das? Wieso sind die Köpfe abgeschnitten? Was könnte das Bild uns zu sagen haben? Was haben die Schornsteine da verloren? Sollen sie etwas mit der dargestellten Tätigkeit zu tun haben? Fragen über Fragen! Ist es vielleicht eine mißglückte Street-Photography-Arbeit? Eines aber macht uns erst recht stutzig: die unglaubliche Schärfe der Bewegten Personen. Sie ist so perfekt, dass es eher der Bildsprache einer Hochglanz-Werbefotografie entlehnt zu sein scheint. Die Ästhetik selbst schafft hier eine erfrischende Dissonanz!

von Jörg

Es gibt Bilder, die sind schon tausendmal gemacht worden ... Aber irgendwie anders. Der Weg in die Ferne wieder. Verheißungsvoll aber doch nicht einladend. Die Frage ist, und die wird sich Jörg an dieser Stelle bestimmt auch gestellt haben, ob man bereit ist, sich die Schuhe schmutzig zu machen. Oder schnell ein Foto machen und umdrehen? Jedenfalls die schönsten Pfützen, die ich seit langem gesehen habe. :-)

von Renate

Schön gesehen und schön umgesetzt!

von Matthias

Ich mag an diesem Bild ganz besonders, dass es uns - obwohl es ganz unscheinbar daher kommt - mit lauter Rätseln zurücklässt, die uns zwingen, immer wieder hinzuschauen, ob wir nicht doch ein Indiz übersehen haben. Schon das Setting ist rätselhaft. Soll das eine befestigte oder eine unbefestigte Straße sein? Wohin führt sie? Es  gibt Spuren eines motorisierten Fortbewegungsmittels. Es gibt eine Art Fahrbahnbegrenzung, aber die scheint irgendwie so halb ausser Betrieb genommen worden zu sein. Es gibt einen Durchblick zum Hintergrund, sehr prominent im Zentrum der Fotografie gelegen, aber er offenbart eigentlich nichts, weil der Weg sofort dahinter einen Knick zu beschreiben scheint. Und vor allem gibt es diese zwei Tannen. Sie sind ein Stück Natur, aber sie sind auch offensichtlich dorthin gepflanzt worden. Und sie halten unsere Blicke auf oder werfen sie zurück. Viele Ungereimtheiten und Ambivalenzen in einem auf den ersten Blick eher langweilig anmutenden Bild. Und natürlich: Das herrliche Licht trägt zur rätselhaften Atmosphäre noch bei.

Wir schätzen hier die ebenso unprätentiöse wie ausgewogene Komposition!

2*vier - Evelyn

Naturnah - Annette

Hier wird der inhaltliche Aspekt Natur / Industrie auf einer grafischen Ebene abgehandelt. Die Aufschrift "Bayer" stört leider etwas und nimmt dem Bild die Universalität.

von Susann

Es changiert so nett zwischen schön und hässlich! Und fügt sich mit den beiden Tannenbäumen perfekt in die Adventsstimmung! :-)

Bäume, Bäume 2 und Bäume 3 - Alex

Das ist sehr interessant! Ich würde hier Bäume 2 bevorzugen. Drei fliegt bei mir sofort raus, weil die Fahne in meinen Augen keinen Mehrwert bringt. Zwischen 1 und 2 ist es schwieriger. Klar, bei 2 ist die Konstellation eingebettet in eine Umgebung, die uns vertraut erscheint. Das ist natürlich ein Mehrwert - wir identifizieren es als "Teil von uns", es kommt uns näher. Dagegen ist 1 reduzierter. Das könnte im günstigsten Fall dazu führen, dass das Motiv zu einem Archetypus erhoben wird, dass wir es betrachten, als sei es "ein Vertreter seiner Gattung", fast wie etwas eigentlich nicht Reales, sondern die sublimierte Form aller realer Gegenstände dieser Art. Das kann auch spannend sein, aber hier funktioniert dieser Aspekt nicht so gut. Deswegen: 2.
Und überhaupt. Das Interessante dieses Bildes scheint mir ohnehin das merkwürdige Gerüst zu sein, das da einerseits so prominent steht, andererseits aber gar nicht "erläutert" / beachtet wird.

Baum, Baum bereinigt, Baum ganz bereinigt - Alex

Auch wieder total spannend zu beobachten, was hier passiert. "Baum bereinigt" fliegt für mich raus - ich sehe als Unterschiede zu "ganz bereinigt" nur die beiden Ästchen unten und dass das Bild etwas dunkler ist als "ganz bereinigt". Aber der Unterschied ist doch überaus deutlich spürbar. Und hier funktioniert nun diese Reduktion im Sinne einer Sublimierung oder Archetypisierung. Der GANZ bereinigte Baum wird zu einem Vertreter seine Art. Er könnte so auch auf dem Mars stehen oder als Muster in einem Archiv aufbewahrt werden. Dagegen BAUM: Der könnte beim Nachbarn im Garten stehen. Hier vergebe ich ein Lob an GANZ BEREINIGT. Die gestalterischen Schritte waren entscheidend. Auch wenn Alex es nicht verantwortet, dass der Baum so schön ist.

An diesem Bild bin ich zuerst hängen geblieben. Als Menschen, die am Rhein leben, kennen wir die Szenerie: Ein asphaltierter Weg endet abrupt in einer Rheinwiese. Nichts ungewöhnliches. Und wir sehen auch, dass der Weg "gedacht" weitergeht - er führt auch jenseits des abrupten Endes weiter, wird über das Ende hinaus genutzt. Was an diesem Bild so schön funktioniert, ist, dass die Asphaltfläche - mitten in einer an sich etwas seichten, lieblichen Ansicht - ein ganz starkes Eigenleben entwickelt als Fremdkörper, als abstrakte geometrische Fläche, die in das Bild verpflanzt wurde. Ein wenig aufsässig, wie sie da in der Landschaft prangt.

Trasse - Evelyn

von Matthias

Ein komischer, sperriger, grobschlächtiger technischer Gegenstand wie aus "Brazil". Das Licht ist ungewohnt. Tief stehende abendliche Sonne, aber es wirkt fast wie geblitzt.

von Renate

Hier hast Du den Ausschnitt verändert. Offensichtlich hattest Du eine Bildaussage im Sinn. Ich finde das Bild gelungen. Jenseits der Pat & Pattachon Thematik entdecke ich noch ein feines Gleichgewicht zwischen der kleinen ABER BEWEGTEN Fläche rechts und der großen ABER GLEICHFÖRMIGEN Fläche links.

von Susann

Das Bild ist durchaus laut und nicht  in erster Linie feinsinnig. Aber die Reduktion, die in diesem Bild geschieht, sie wird durch den Aus- und Anschnitt erreicht, die ist absolut perfekt auf den Punkt gebracht. Wir lernen durch dieses Bild, was es mit der Ästhetik von Industrie auf sich hat. Die Architektur wird nur durch Pragmatik bestimmt. Der Baukörper ist absolut Schmucklos. Und doch geht ein ambivalenter Reiz von ihm aus, vielleicht ähnlich dem Reiz, der vom Anblick eines weißen Hais ausgeht (vgl. Damian Hirst). Die schiere Monumentalität dieses Baukörpers und die unfasssbare Kraft und Übermacht, die sich durch sie vermittelt, lösen einen ästhetischen Reiz aus - ein unbezähmbares banges Hingucken-Wollen. Der ästhetische Reiz, die kalte, abweisende Monumentalität wird durch die Gegenüberstellung mit den Pflanzen noch verstärkt.
Das Bild hat auch unverkennbar phallische Konnotationen. Mein erster Gedanke war: Das Thema lassen wir beiseite, es ist es nicht wert. Aber vielleicht ist das nicht richtig. Ich denke, man kann sagen, dass das Phallische in diesem Bild mit dem Industriellen gleichgesetzt wird. Das würde die Frage aufwerfen, ob das Prinzip großindustrieller Produktion ein "männliches" Prinzip ist oder als männlich bezeichnet werden kann. Die Frage ist gar nicht uninteressant - unter dem Strich wahrscheinlich auch nicht ganz neu. Aber ich glaube, die zwei Semester Soziologie, die ich vor 20 Jahren absolviert habe, reichen nicht aus, diese Frage zu beantworten. Was sagt ihr dazu?

Haken - Annette

Ahhhh ... - das ist die Auflösung der "Bäume" von Alex. Jetzt wissen wir zwar immer noch nicht, wozu dieses Ding da ist, aber während Alex ja daran vorbei gesehen hat, wird es in diesem Bild thematisiert.

von Jörg

Es gibt Bilder, - und das ist jetzt explizit NICHT abschätzig gemeint - die Schöpfen ihre Kraft aus ihrer Naivität. Ich denke da auch gerade mal wieder an den Maler Rousseau. Nun, in diesem Bild ist es etwas anderes, aber es wirkt auch wie ein Naives Vorhaben. Nach dem Motto: "Ich will mal ein Bild machen, mit einem Pferd, einem Weißkopf-Seeadler und einem Menschen drauf!" Und dann ist dieses Foto entstanden. Die Dinge wirken wie mit Gewalt zusammengebracht. Aber diese fadenscheinige Naivität hat etwas ungemein Ehrliches, vollkommen Unverstelltes, das ich sehr an diesem Bild schätze.

von Renate

Es gibt Bilder, die ziehen ihren Reiz daraus, dass sie sich einer ganz speziellen kanonisierten Bildsprache bedienen, die wir im Zusammenhang eines ganz bestimmten Sujets kennen - und sie, diese Bildsprache, auf ein ganz anderes Sujet anwenden.

Hier haben wir so eine Art Tatort-Inszenierung. Diesen Holz-Pfählen und den Reifen kommt eine enorme Bedeutung zu! Um Gottes Willen! Was ist DAS!!!
Es ist nichts. Irgendein Pferde-Parcour für den sich keine Sau interessiert! Aber wir können nicht anders als angstvoll die Luft anhalten, wenn wir das Bild ansehen.

Horizont - Annette

Genau, es geht um den Horizont. Und wie Udo Lindenberg ja schon so treffend festgestellt hat: "Hinter'm Horizont geht's weiter (...) " Genau so ist es auch bei diesem so schön komplexen Bild. Die Schärfe ist hier der alles entscheidende Faktor. Die Schärfe liegt hier auf dem Mittelgrund - dem Kamm dieser kleinen Böschung, spärlich mit ein paar jungen Trieben bewachsen. Die Schärfentiefe ist gering gewählt, so dass dieser Akzent auch sehr deutlich zu sehen und zu spüren ist. Diese Entscheidung ist eher ungewöhnlich - was mich natürlich freut. Der Vordergrund  ist sehr prägnant - aber deutlich unscharf. Der Durchschnittsfotograf hätte die Schärfe auf den Vordergrund gelegt. Das ist normal :-). Weniger normale Leute hätten die Schärfe auf den Hintergrund gelegt, DEN HORIZONT, denn der Horizont markiert ja das Ende der Reichweite unseres Blicks, und das ist die Tiefebene, auf der das Hochhaus steht. Das ist aber nur halb naheliegend, da von diesem Horizont nicht so viel zu sehen ist, denn er wird von dem Gestrüpp im Mittelgrund teilweise verdeckt. Aber das Gestrüpp im Mittelgrund, dieser eher nichtssagende Kamm der Böschung mit dem traurigen Gestrüpp, DAS IST DER HORIZONT DIESES BILDES! Das ist ungewöhnlich. Die Böschung wird aus der Bedeutungslosigkeit gehoben und, ja: Eigentlich ist sie ganz spannend! Und hinter dem Horizont: Nun, hinter'm Horizont geht's weiter! Da blitzt der nächste Horizont hervor. Dieser Hauch von Stadt ...

schlecht versteckt - Evelyn

Mein Advents-Schmankerl! Lustig, wir hatten das unter Euern Flittard-Einsendungen schon einmal: Dieses "Visieren". Man visiert mit etwas im Vordergrund auf etwas im Hintergrund. Annettes "Naturnah" ist dafür ein Beispiel. Das kann aber bös in die Hose gehen, denn dieses "Visieren", das man fast automatisch macht, wennn man sich bewegt und gleichzeitig ein wenig Muße hat, das ist vielleicht ein unterhaltsames Sinnesspiel, aber es bringt uns leider weder dem Sinn des Lebens näher noch offenbart es andere tiefgründige Wahrheiten. Die Sachen, mit denen wir aufeinander zielen, haben einfach nichts miteinander zu tun - das ist der ganze Zauber. Evelyn hat das aber hier ganz schön in den Griff bekommen. Sie nimmt das Fußballtor ins Visier der beiden Bäume und ... verfehlt es! Das ist spannend. Wollte sie es treffen und hat es verfehlt? Oder wollte sie es verbergen und hat es nicht hinbekommen? Da steht es nun, so doof angeschnitten, will sich verschämt verstecken, weil es ja auch wirklich so hässlich ist! Im Hintergrund sehen wir dann einen Baum, der tatsächlich ins Visier genommen UND getroffen wurde, aber er spielt keine große Rolle. Und reden wir nicht davon, dass wir schon wieder eigentlich mitten in die Sonne glotzen! Pah! Vitamin D, ick komme! Hilft auch gegen Corona.

Bild 02 - Susann

Bild 05 - Susann


Bild 02: Atemberaubend schöne Nature Mort. Wunderbar die Haptik der Blätter eingefangen, unvergleichlich schöne Farben - aber natürlich auch sehr lieblich dabei, da machen wir uns nichts vor! :-)


Ich ziehe da Bild 05 vor. Nicht lieblich. Schön, wie wir hier CHAOS empfinden aber gleichzeitig vertraute Gegenstände eindeutig erkennen und zum Schluss abstrakte Figuren und Formen vor unserem Auge erscheinen, sobald wir auf "das Ganze" schauen.

von Jörg

Onkel Tom's Hütte. Auf Anhieb hat diese Szenerie diese ätzende Sentimentalität, die ich ja nicht leiden kann. Aber diese Sentimentalität wird gebrochen durch zwei Dinge: den Bauzaun rechts im Bild und vor allem die absolut überwältigende Unordnung, die hier abgebildet wurde, die eben gar nichts Romantisches mehr hat sondern uns viel eher ein wenig beunruhigt.

von Renate

Ein Favorit! Erstmal das Licht: Es hat etwas Besonderes. Es ist gar nicht genau zu ergründen. So, wie die Wiese im Vordergrund aufleuchtet, muss die Sonne im Spiel sein. Aber die Baüme werfen keine Schatten. Also muss es HIGH NOON sein! 12 Uhr mittags. Und diesig ist es, aber der Himmel ist aufgebrochen. Das Licht ist in jedem Fall sehr speziell. Nun gibt es zwei Sachen, die unsere Blicke anziehen. Die Bäume im Vordergrund - oder vielmehr Mittelgrund. Genaugenommen nicht die Bäume sondern die Anordnung der Bäume. Und natürlich die Kirche. Die Kirche wurde auch noch so auffällig in eine Lücke im Geäst der Bäume plaziert, dass man sie förmlich HIER! schreien hört. Das Zauberhafte an diesem Bild ist, dass zwischen der Kirche und den (Obst?)-Bäumen, die so schön ordentlich angelegt wurden, eine starke Beziehung entsteht. Es sind die beiden Anziehungspunkte und automatisch zieht sie unser Hirn zu EINER Sinneinheit zusammen. Und gleichzeitig wird uns klar: Die haben nichts miteinander zu tun. Ein starker surrealer Effekt, wenn man es genau nimmt. Und das ganze eingebettet in dieses diesige Licht, das erst recht unsere Sinne benebelt!

Bild 1,2,3,4,5,6 - Ines

Ich finde, dass diese Einsendung einen sehr starken seriellen Charakter hat. Ist als Serie recht stimmig und geschlossen. Was die Bilder miteinander verbindet, ist die zurückgenommene Helligkeit und - dazu passend - die sehr reduzierten Motive. Das ist konsequent durchgehalten und sehr schön gelungen.
Ganz besonders gut finde ich das Bild 3.  Man erkennt keine dezidierte Komposition, der Anschnitt oben erklärt sich nicht wirklich, der Gegenstand selbst bleibt rätselhaft aber auch nicht gänzlich unvertraut - und doch ist das Bild sehr stimmungsvoll und tiefgründig.

Kritik im Detail - hier: meckern auf hohem Niveau:
Bild 1: Hier stört  mich die übermächtige Diagonale.
Bild 2: Wäre mein zweiter Liebling. Hier ist eine längere Brennweite im Spiel, wennn mich nicht alles täuscht. Das stört ein bisschen das Gefühl der Unmittelbarkeit.
Bild 4+6: Etwas zu lieblich
Bild 5: naja ...- das Fahrrad! :-)

Fassade - Alex

Das Bild ist toll. Es müsste schärfer sein ... :-(. Ich vermute, wir sehen hier eine Ausschnittvergrößerung, und die Unschärfe ist der Vergrößerung geschuldet. Diese alten Fassaden und sogar Räumlichkeiten nicht mehr existenter Häuser, die sich auf den Brandmauern der ehemaligen Nachbarhäuser abbilden, die sind sowieso unglaublich spannend und berührend anzuschauen. Aber das ist nichts Neues. Hier kommt aber noch dieser mysteriöse Fleck im Putz dazu, der uns in seinen Bann zieht.

"GIB MIR EIN A !!!"
Ein "A" für Auenlandschaft. Das ist natürlich "gewollt". Und gewollt ist meistens grob, vorhersehbar und platt. Aber hier ist es auf eine nette Art und Weise frech.

So ein "Na und?" - Bild.

Auenlandschaft - Annette

Eine Fotografie ist ja ein "Blick". Wenn wir uns die Frage stellen, was wir hier anblicken, dann muss die Antwort lauten: Den Schlot. Genau. Aber den sieht man eigentlich gar nicht. Darin besteht der Reiz dieses Bildes: Eine Balance zwischen sehen und nicht sehen, zwischen zeigen und verbergen. Und es gibt noch einen weiteren Aspekt: Der Schlot wirkt wie durch die Natur "weg-ge-xt", mit der feinen Struktur des Geästs übermalt. Da ist sogar ein bisschen Wut drin auf den Schlot und damit ein Statement in dem Bild.

von Jörg

von Uschi

Uschi ist es hier gelungen ist, ein Bild zu machen, das es uns gestattet, uns voller Wonne dem Kitsch hinzugeben, ohne uns schlecht und unkultiviert vorzukommen.

Als Menschen von Kultur müssen wir es leider rundweg ablehnen, uns an Kitsch zu erfreuen. Kitsch ist banal und oberflächlich und stereotyp. Natürlich ist Kitsch aber auch schön. Schade, das macht es so kompliziert und entbehrungsreich. Wer blickt denn nicht gerne in die abendliche Herbstsonne, die durch das verfärbte Laub fällt? Immerhin dürfen wir uns der abendlichen Herbstsonne selbst hingeben. In persona sozusagen. Das ist erlaubt. Aber wir dürfen sie nicht fotografieren und uns dann an dem Foto laben. Das ist unzivilisiert :-). Deswegen freuen wir uns so sehr über Uschis Kunstgriff. Das Bild ist eigentlich die klassische stereotype Kalenderansicht, tausendmal gesehen - wären da nicht diese unglaublich penetranten zwei Sonnen, die sich lautstark vor die ganze liebliche Herbststimmung schieben und das Stereotyp zunichte machen. So können wir insgeheim die untergehende Sonne genießen, und wenn jemand fragt, reden wir uns damit heraus, dass diese beiden Autoscheinwerfer, die uns da anblenden, das Stereotyp ja zerstören. Das ist doch dann wohl erlaubt, oder?

von Matthias

Der Baum - ist es eine Weide? - ist beeindruckend, wirklich sehr schön, und er erstraht ganz fantastisch in der Abendsonne. Das ist schon mal gut, macht aber natürlich noch kein gutes Bild. Ich habe das Bild lange angesehen, alle 3 Versionen, und dachte: Irgendwas ist da mißglückt! Aber was? Ich denke, dass dieses Bild eigentlich quadratisch sein müsste. Der Baum hat ganz offenkundig eine mehr oder weniger quadratische Form. Und er wird im Querformat aufgenommen. Oben und unten ist es genaugenommen sogar schon zu knapp - er dürfte eigentlich gar nicht angeschnitten sein. Rechts und links aber haben wir Platz. Für nichts! Alles, was hier dazu kommt, ist uninteressant! (Passiert gerne bei Portraits!) Das Bild wird dadurch unausgewogen und redundant. Versuche mal ein quadratisches Format! Die unscharfe Version geht in diesem Fall nicht auf. Wir verlieren nur und gewinnen nichts dazu. Die farbige und die schwarzweiße Version haben beide ihre Daseinsberechtigung - wobei die schwarzweiße Version unwirklicher ist, die farbige reeller und vertrauter.

An diesem Bild bin ich gleich hängengeblieben. Mit Kühltürmen ist man ja wirklich festgelegt: Entweder sie stehen als Metapher für die technische Moderne oder sie stehen für Atomkraft (= das Böse). Das macht sie zu einem sperrigen Bildelement. Aber hier geschieht das aus rätselhaften Gründen nicht! Das Bild WIRKT von Symbolen dominiert, auch die Straße leistet ihren Beitrag dazu, aber bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass diese Bildelemente hier gar nicht so eindeutig konnotiert sind, das Bild bleibt offen und fordert uns heraus, hinterlässt uns mit einem ungewissen Gefühl!

von Uschi

Das Bild ist irgendwie wohltuend holprig, banal, ehrlich. Diese Bänke sind nun wirklich nicht sonderlich fotogen. (Und reden wir gar nicht davon, dass sie unbequem sind.) Sie haben noch nicht einmal eine fotogene Form, die sich irgendwie günstig in einem rechteckigen Bild unterbringen ließe. Uschi hat einfach draufgehalten. Das ist, wenn wir die Kunstgeschichte der Fotografie vor Augen haben, echter gestalterischer Wagemut. Da ist einfach Leben drin!

Es IST bestimmt nicht so, aber es sieht so aus, als hätten die Elemente dieses Bildes zwingend etwas miteinander zu tun, als wären sie miteinander in ein Spiel verwickelt. Der Mann natürlich, aber auch das Fahrrad und die Leute im Hintergrund. Sehr schön!

Wald - Alex

Auch Du hast ein Bild gemacht, das jede Menge Voraussetzungen mit sich bringt, als kitschig abgestempelt zu werden, aber eben genügend Störfaktoren, die es "retten" und uns sogar anregen, Kitsch und kitschige Bilder zu reflektieren, zu erkennen, zu untersuchen.

Ja, im Prinzip ein kitschiger Sonnenuntergang, ein weiter blauer Himmel, ein paar Wolken, die rosa aufleuchten. Aber an den Wolken hängt's. Die ganze Riege der Wolken verschwindet genau hinter den Baumwipfeln. Das ist richtig gemein und stellt unsere Erwartungen vollkommen auf den Kopf. Ein ätzender Missklang. Die dusselige Fahrbahnbeleuchtung und das Vorfahrtsschild versetzen dem Kitsch dann den finalen Kantenschlag. Voilà.

von Susann

Susann, Du steuerst ganz klar auf eine "dunkle Serie" zu. Wir hatten das schon. Sehr schön. Grafisch und gegenständlich zugleich. Fremd und vertraut zugleich. Der Reiz wird tatsächlich durch die Dunkelheit erzeugt! Wir schauen auf eine Szenerie und wissen, dass wir eigentlich NICHTS sehen! Vielleicht lauert eine von Rousseaus Wildkatzen im Dunkeln!

Köln-Flittard, im Dezember 2020