Ostheim

abgestellt - Alex

Wir können nicht umhin festzustellen, dass dieses Bild genau DIE immer gleiche Aufnahmesituation der berühmten Fotoarbeiten des Ehepaars Bernd und Hilla Becher aufnimmt. „Aufnehmen“ ist untertrieben. Hat man das einmal bemerkt, ist man unwillkürlich amüsiert. Es wirkt ein wenig wie eine Karikatur, weil eben das Motiv „nicht stimmt“. Zumindest nicht ganz, denn der Hintergrund passt wiederum zu vielen der Becher-Motive. Gerade diese Nähe verstärkt den Eindruck der Persiflage. Das ganze ist natürlich ein Spaß für Kenner*innen. Streng genommen also gar nicht eines jener UNIVERSELLEN Themen, nach denen wir immer so erbittert jagen. Aber das Bild hat noch mehr zu bieten. Natürlich wirkt die Palette mit den Steinplatten deplaziert. Aber es ist mehr als das: Ich finde eigentlich die Plastikfolie und wie sie so typisch um die Ware gewickelt ist, das entscheidende Etwas an diesem Bild. Die Plastikfolie und diese Kombination aus Plastikfolie und Palette stehen sinnbildlich für industrielle Produktion und moderne Logistik, und DAS scheint in so krassem Widerspruch zur natürlichen Umgebung zu stehen, viel mehr als die Ladung - Steinplatten - die, ganz ehrlich, wenn das ein Steinbruch ist, gar nicht mal so sehr fehl am Platze wäre.

von Susanne

Jetzt predige ich Euch schon seit Jahren, mit diesen Schildern und Fahrbahnmarkierungen vorsichtig zu sein, und dann wähle ich dieses Bild aus! Das Problem mit Schildern und Fahrbahnmarkierungen liegt darin, dass sie Bedeutung nahelegen, wo es keine Bedeutung gibt. Ein Pfeil ist ein unglaublich plakatives Symbol. Zeigt nun ein weißer Pfeil auf der Fahrbahn auf ein Auto oder auf eine Passantin oder auf einen Johannisbeer-Strauch, dann wird das solcherart hervorgehobene Bildelement mit vermeintlicher Bedeutung aufgepumpt, aber es befriedigt unsere erwartungsgeladene Neugier nicht. Das ist enttäuschend.
Hier aber können wir es uns gefallen lassen! Die rote Form ist plakativ, sie ist ja auch quasi ein Pfeil, aber sie scheint nirgendwo hin zu weisen. Sie hat mehr den Charakter eines Archetypus, einer plakativen roten Form, die für ALLE plakativen, roten Formen steht. Auch die rote Farbe hat etwas Allgemeines: Es ist das Verkehrsrot, RAL 3020. Das Bild scheint mehr eine Geschichte des Liegengebleibenen, des Zurückgelassenen, Vergessenen zu erzählen. Das Schild wirkt vergessen dort, aber auch die Natur, die wir sehen, wirkt vernachlässigt und unbeachtet. Und in der Tat: Die Welt am Rande von Autobahnen, (wir erkennen sie durch die Sträucher) ist eine ganz spezielle Welt. Oft grün, denn Autobahnen laufen nun mal am ehesten durch wenig besiedelte Gegenden, aber gleichzeitig besonders drastisch zugemüllt, denn zum einen werfen Autofarhrer*innen wohl allerhand aus dem Fenster, und zum anderen gibt es rechts und links von der Autobahn niemanden, die sich daran stören würde. Wie die Slums am Rande großer Metropolen in Südamerika oder Asien.

von Renate

Konstruktivismus oder Dekonstruktivismus? Wir wissen ja, dass diese Asphalt-Oberfläche beschädigt ist, aber komischerweise sieht es so aus, als sei sie minutiös und liebevoll Stück für Stück zusammengesetzt genau so zusammengesetzt worden.

Das Bild ist so herrlich einfach und doch so fein und differenziert. Zunächst: What you see is what you get. Obwohl, wir bekommen ja keinen Spaten sondern eine Schaufel. Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das ein philosophischer Fingerzeig ist, den ich nicht verstanden habe, eine Hommage an Magritte oder eine Begriffsverwirrung. Aber für mich macht es keinen großen Unterschied. Also: Schaufel. Die Komposition auch so ein bisschen hingerotzt. Wieso ist die Schaufel nicht in der Mitte? Wieso ist das kein Hochformat? Keine Zeit gehabt? :-)  Aber während wir diese Überlegungen anstellen, sind wir natürlich schon längst der unfassbar schönen Lichtreflexion auf der Schaufel verfallen, die die Gebrauchsspuren, die Kratzer, den Abrieb als ganz feine Zeichnung herausarbeitet. Eine grandiose Materialaufnahme, zum verlieben. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass diese Schaufel dazu da ist, den Mulch zu schaufeln, auf dem sie liegt. Aber diese Beziehung wird keineswegs platt dargestellt. Fast hat man ein bisschen das Gefühl, Schaufel und Mulch haben sich richtig lieb, gehören untrennbar zusammen, bedingen einander, hängen voneinander ab. Aber Simone hatte ja auch offensichtlich einen poetischen Tag!


von Jörg

Eine schöne Studie zu unserem ewig zum Scheitern verurteilten Bedürfnis nach Individualität.
Hier haben allerdings die Hausbesitzer*innen die Vorarbeit geleistet und Jörg im Vorübergehen abgesahnt.

von Susann

Ich frage mich, wo Susann immer diese Grautöne her nimmt! Ein ganz feines Bild. Alles scheint auf diese Figur mit dem Hund hinzuleiten, aber doch gewinnt die Figur nicht die Überhand, bleibt ein Element unter vielen in einem weiten Landschaftsbild.

Ein stilles, unbewegliches Bild, mit einer unerwarteten Komposition. Auch nicht gerade fröhlich, liebe Evelyn! Schade, dass die Auflösung nicht viel hergibt. Wir müssen uns einfach über das Wenige freuen, das wir sehen.

von Evelyn

Irgendwie wird hier, wie aus dem Hinterhalt heraus, dieser Prozess der Umsetzung von etwas Lebendigem (Realität) in etwas Totes (Bild) gleich zweimal vorgeführt. Das Bild an sich ist ja schon das Ergebnis eines solchen Umsetzungsprozesses. Hier aber wird bereits das Reelle für tot erklärt. Wir erkennen ja die Szenerie, wir sehen die fahrenden Autos mit ihren angeschalteten Scheinwerfern. Aber die durch ein Punktmuster strukturierte Scheibe, scheint das bereits in Pixel zu verwandeln. Besonders schön an den Scheinwerfern zu sehen, die wir ja in Bewegung wähnen, deren Licht für uns etwas besonders Lebendiges hat: Hier sind es je 12 unbewegliche Bildpunkte.

Autobahn - Nicol

von Cornelia

Mit Mülltonne extra(un)scharf, bitte! Ja, die Mülltonne und die ganze rechte Bildkante sind eigentlich ein bisschen vergurkt - die Mülltonne so prominent im Bild platziert und dann unscharf, die zwei Streifen Wand und Tor, die haarscharf am Bildrand entlang verlaufen und für ein ganz schon lästiges Flimmern am Rand des Geschehens sorgen. Aber ihr wisst ja: Wenn mir mal ein Bild gefällt, bin ich nie um einen Winkelzug verlegen, es Euch schmackhaft zu machen. Diese „Fehler“ oder „Defizite“ sorgen immer für ein Quantum Authentizität, das an unserem Geist vergilt, was an unserem Auge an Schaden entstanden ist. Der Reiz dieses Bildes liegt in den drei Toren, auf die wir blicken. Mitten in diesem unansehnlichen Setting werden diese drei Tore zu reiner Geometrie, reiner Form, losgelöst von ihrer Funktion, und erheben sich damit als ganz und gar unirdische Erscheinungen aus ihrer so irdischen Umgebung. Und die Mülltonne - nun, sie verankert geradezu das Irdische im Unterirdischen! Außerdem ist sie so eine Art kultureller Hinweis. Der Rest des Bildes ist nämlich verhältnismäßig neutral, was Indizien für die Lokalisierung dieses Ortes angeht, was spannend ist. Dann kommt die Mülltonne: Willkommen in Germany!

von Uschi

Solche Bilder laufen schnell Gefahr sehr banal zu werden - nämlich dann, wenn Bezüge zu deutlich werden, sich zu sehr in den Vordergrund drängen. KFC, „Reifen Shop“, Dixie-Klo, Autos etc. Hier aber melden sie sich so diskret zu Wort, dass eine universelle Bildaussage bestehen bleibt: Vorstadt.

von Annette

Hier entsteht der Eindruck, als ob die Bäume sich des Fahrradwegs bedienten, um dort in Reih und Glied auf den Betrachter zuzulaufen. Eine schöne Verwirrung von Statik und Bewegung.

von Claudia

Schön gesehen, die räumliche Irritation, die dadurch entsteht, dass jemand den Pfeil über den Knick in der Mauer hinaus unbeirrt weiter gemalt hat.

von Nicol

Ich sehe da eine Nähe zu „Herrenumkleide“ von Alex aus Vingst. Wir haben auf der einen Seite ein sehr lebendiges Bild, das eine Vielzahl  bildrelevanter Elemente aufweist, die großzügig und scheinbar willkürlich über das Bild verstreut sind und unsere Augen tüchtig auf Trab bringen. Ich bin mir gar nicht sicher, wie ich diesen Aspekt eigentlich nennen soll! Ist es eine formale Eigenschaft? Ist es eine Ästhetische Eigenschaft? Es ist auf jeden Fall kein INHALTLICHER Aspekt. Vielleicht könnte man von einem gehobenen REIZNIVEAU sprechen. So weit, so schön. Aber jenseits dieser verspielten Komposition kommt ein inhaltlicher Aspekt zum tragen, der noch wichtiger ist: Hier wird von einem Land, einer Kultur, einer Gesellschaft erzählt. Von dem Streben nach Ordnung, Rationalität und Ökonomie. Von Pragmatismus, von serieller, industrieller Produktion. Aber auch von den Lücken in diesem System, von kleinen Freiräumen oder Leerräumen, von kleinen Manifestationen vorwitziger Anarchie.

von Annette

Dieses Bild bereitet mir eine gewisse Genugtuung, befriedigt gar meine niedrigen Instinkte, an diesen Sprayern Rache zu nehmen für ihre langweiligen, redundanten, einfallslosen Artikulationen: Die Sonne hat einfach drüber gemalt!

von Jörg

Auf den ersten Blick könnte man meinen: Jörg hat einen „komischen“ Baum entdeckt. Aber der Baum ist nicht komisch, sondern Jörg hat eine Perspektive gefunden, aus der heraus die zwei Äste eine sehr prägnante Form bilden, die uns überrascht und fesselt. Und das ist eben SEIN Verdienst, sein fotografischer Beitrag zu diesem Bild, nicht das Verdienst des Baumes.

von Susanne

Wir meinen es zu kennen. Aber mich beschleicht eine merkwürdige Unsicherheit. Fahren diese Autos der Sonne entgegen? In eine bessere Zukunft? Oder stürzen sie direkt hinter dem Horizont von der Erdplatte in den schwarzen Äther?

von Evelyn

Ein letzter Blick aus dem Gefangenen-Transporter auf das Glück der anderen. Ähm - schon wieder unerfüllte Sehnsucht?

Wenn hier nicht wirklich alles schief wäre, wäre das Bild langweilig!

von Renate

Hier haben wir nun eines dieser klassischen nostalgischen Motive von Verwitterung und Vergänglichkeit. Aber die aufgeräumte Komposition und die vielen, feinen Details bewahren es davor, im Schmalz zu versinken.

von Annette

Mal wieder: Ausnahmen bestätigen die Regel. Und wenn das zur Regel wird, gibt es keine Ausnahmen mehr. Oder so ähnlich. Immerhin finde ich es tröstend, wie oft wir von den Regeln abweichen, die wir immer wieder so gerne betonen. Hier: Vorsicht mit Schrift im Bild! Sie scheint Bedeutung nahezulegen, trägt aber in der Regel gar keine.
Und jetzt zu unserem Bild. Was wird hier eigentlich fotografiert? Das ist schon vollkommen unergründlich. Ist es die Pflanze oder die Bepflanzung die ja so unübersehbar in der Bildmitte platziert wurde? Oder ist es der Schriftzug? Der Schriftzug kann es ja EIGENTLICH nicht sein, denn wir können ja nicht erkennen, was da steht. ABER da das Bäumchen die Gestalt eines Buchstabens anzunehmen scheint, wird es zu einem Teil des Schriftzugs, und jetzt scheint es doch der Schriftzug zu sein, der im Mittelpunkt steht, mit dem Bäumchen als Element des Schriftzugs. Das ist ganz feiner Surrealismus á la Magritte - mit viel Augenzwinkern vorgebracht. 

An diesem Bild lieben wir die unbeirrbare Konsequenz!

von Nicol

Ich verstehe nicht, wie das Licht in das Loch kommt. Aber wie auch immer: Ich habe schon sehr viele Bilder von Löchern gesehen in meinem Leben. Aber nicht viele von ihnen wirkten, als ob man durch ein Wurmloch in eine andere Galaxie blicken würde.

Oft schwierig - wenn man an Flächen entlang fotografiert, einen sinnstiftenden Fokus zu finden. Man darf ja den Betrachter nicht mit der Frage zurücklassen: Was soll ich denn gerade hier sehen? Hier klappt es. Vor allem aber schauen wir von unten unter diese leichte Brüstung, eine Perspektive, die eigentlich nicht vorgesehen ist, und sehen offensichtlich etwas Verbotenes. Sinn, Zweck und Gestalt des Gebäudes bleiben wohltuend rätselhaft.

von Susanne

von Susann

Ich weiß nicht, inwieweit das intendiert war, aber ich kann nicht umhin, in diesem Bild ein Riesensmiley zu sehen und postuliere mal aus meiner privilegierten Position als Fotopauker heraus, dass dieses Bild ein Smiley IST. Das würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen, dass sich das Bild selber ins Lächerliche zieht, auf dieses ungeheuer platte Piktogramm begrenzt bleibt. Aber komischerweise passiert das nicht. Das Bild ist NICHT platt oder albern. Es behält eine gewisse Tiefe. Dessen bin ich mir ganz sicher. Weniger sicher bin ich mir allerdings, weshalb das so ist! Das Smiley setzt sich ja aus zwei grundverschiedenen, geradezu konträren Objekten UND AUF zwei unterschiedlichen räumlichen Ebenen zusammen. Das ist für‘s erste schon mal sehr spannend. Die beiden Objekte und die beiden räumlichen Ebenen werden zusammengezogen. Was mir noch auffällt, ist dass der Baum einen ganz stark figürlichen Charakter hat, und eine Haltung einzunehmen scheint, der eine große Vehemenz eigen ist. Vielleicht ist es dieses Flimmern zwischen EINEM Objekt - dem Smiley - und ZWEI Objekten - dem Haus und der aufgeregten Baumgestalt davor - was dieses Bild so fesselnd macht.

von Uschi

Ein wunderschönes Zusammentreffen und Zusammenspiel mehr oder weniger deutlicher und mehr oder weniger symbolischer Bildelemente halten unsere Gedanken hübsch auf Trab.

Ein unbequemes Bild - fürwahr! Wir wissen alle, wie laut so ein Vieh krähen kann, und dieser Hahn hier kräht tatsächlich. Aber trotz der geradezu körperlich spürbaren unangenehmen Prägnanz dieser Tätigkeit, ist das Bild merkwürdig still. Der Kopf des Hahns liegt nämlich im Schatten. Dass er den Schnabel geöffnet hat, ist kaum zu erkennen. AUßERDEM IST DER HAHN UNSCHARF! Ich tippe auf ein Versehen, aber es führt in genau dieser Gemengelage zu einer interessanten Bildaussage. Es geht um Vergeblichkeit. Er schreit, aber wir hören ihn nicht - weil er im Dunkeln bleibt, und weil er unscharf ist. Erinnert mich schmerzlich an den armen Caruso aus Patterson und Findus!

Hahn - Alex

Das Foto ist so unansehnlich! Es gibt ja so rein GAR NICHTS auf das unser dürstendes Auge mit Wohlgefallen ruhen könnte - wir müssen dieses Bild einfach lieben! Unser klandestiner Blick in das Eigentum anderer Leute, und dann: Besenstile und halb geöffnete Gefriertruhen. Dazu das abscheuliche RAL-Rot 3000.

von Ines

Auch dieses Bild finde ich „schön“. Es hat ähnliche Qualitäten wie das vorherige, im wesentlichen unattraktive Bildinhalte. Nur der „Um Gottes Willen!“ - Blick auf den Rollator macht das Bild ein wenig simpler.

Bild 1 - Claudia

Fahrzeuge in Bewegung, das ist ein hinlänglich abgegrastes Thema, was es schwierig macht, originelle Bilder zu finden. Aber es ist andererseits immer noch ein Thema, das die Gemüter bewegt, ein virulentes Thema, ein gesellschaftlich und auch kulturell hochwirksames Thema - was wiederum eine fotografische Auseinandersetzung  nahe legt und lohnenswert erscheinen lässt.
Hier wird sofort das Problem sichtbar. Technisch gut gelöst, aber ... - haben wir die Bilder nicht schon mal irgendwo gesehen? Oder so ähnlich? Ja, haben wir. Dennoch: Ich gebe auf jeden Fall 2. den Vorzug. Das Auto ist hier zwar für ein Kind des 21sten Jahrhunderts durchaus erkennbar, aber es bleibt abstrakter, und es hat kaum noch Bodenhaftung. Das Geisterhafte lässt unseren Gedanken etwas mehr Spielraum. Hinzu kommt, dass die Farbe des Autos einen schöneren Kontrast zu den blühenden Bäumen bildet, und außerdem tut es dem Bild gut, dass der Blick auf den Weg frei bleibt. Hier kann die Symbolik ungestört zuschlagen.

Bild 2 - Claudia

von Ines

Sehr schön. Hier steht eine sehr ausgewogene, geradezu gediegene, souveräne Komposition in unbedingtem Widerspruch zum Bildinhalt, einer Drecks-Landschaft. Und trotzdem sieht man es so gerne an!

von Renate

Das Bild ist sehr besonders, und es hebt sich sogar von unseren anderen Favoriten ab, und es ist definitiv nicht mit Köln in Verbindung zu bringen - was in meinen Augen ja eine lässliche Sünde ist. Aber eben weil es so besonders ist, wähle ich es. Ich kann euch nicht erklären, warum es so ist, aber der Lastwagen scheint ganz eindeutig zu fahren, sich von dem Anhänger weg zu bewegen - der wiederum sich ganz eindeutig NICHT zu bewegen scheint, zurückbleibt. Reden wir gar nicht davon, wie hässlich manches Kinderspielzeug ist, und dieses kann man da sicherlich dazu zählen, außerdem ist an buntem Plastikspielzeug iner Sandgrube wirklich nichts besonderes, aber hier blicken wir mit dem Auge Gottes auf eine alltägliche Szene, in die auch wir verwickelt sein könnten.

Der Ausblick, der keiner ist. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht ein bisschen zu viel Straße unten mit auf dem Bild ist. Das lenkt ein wenig vom Wesentlichen ab. Das Bild eines Parks in der Stadt, aber dieser Schleier aus Ästen durch den wir blicken, verleiht unserem Blick auf die Wiese dahinter ganz große und unerfüllte Sehnsucht.

von Susann

Mich fasziniert, wie das Schild vollkommen losgelöst von seiner offenkundigen Gestalt und Funktion, zu einer reinen, abstrakten Form, zu einem reinen Kompositionselement wird.

Frankfurter Straße - Alex

von Evelyn

Ich muss gestehen, als ich das Bild zuerst gesehen habe, war die Abbildungsgröße so eingestellt, dass ich nur die oberen 2/3 des Bildes auf meinem Bildschirm hatte, ohne überhaupt zu sehen, dass das Bild nicht vollständig war. Und es hat mir so fast NOCH besser gefallen, es ist nämlich NOCH geheimnisvoller, wenn das untere Drittel wegfällt. Wenn dieser verkleidete Zaun im Hintergrund nämlich beschnitten ist, ist er nicht mehr so offensichtlich zu erkennen. Aber das ist meckern auf höchstem Niveau - weiß gar nicht, wieso ich es überhaupt sage. Ein inhaltlich und formal ganz vielschichtiges Bild. Ich muss gestehen, dass es mir ausnahmsweise einmal ganz schwer fällt, mir darüber klar zu werden, worin die Qualität dieser Fotografie liegt. Ich predige ja immer, dass nur der Inhalt eines Kunstwerks wirklich langfristig zu fesseln vermag, ein starker Inhalt, ein universeller Inhalt. Aber was ist der Inhalt dieses Bilds? Denn dieses Bild ist auf jeden Fall ergreifend und es ist emotional, das kann man auch spüren, ohne es zu verstehen.
Ich würde sagen, dieses Bild handelt von unerfüllter Sehnsucht. Zack! Die Sehnsucht ist auf Zweierlei gerichtet: Sie richtet sich auf den Himmel, auf das Licht = Leben = Gott = Verheißung jedweder Art, und sie richtet sich auf Natur. Aber beides wird gestört, wird verhindert, bleibt verwehrt: Der Himmel wird durch den unscharfen Ast, der diagonal durch das Bild läuft, geradezu weg-ge-“X“-t. Und die Natur, die sehen wir - bis auf das Wenige, das über den Zaun quillt - eigentlich nur als PROJEKTION, die von der uns abgewandten Seite auf den Kunststoff-Vorhang geworfen wird - ein Bild von einer besseren Welt, zu der wir keinen Zutritt haben.
Jetzt aber nicht weinen!

von Claudia

Dieses Bild entfernt sich vom Bilder-Mainstream zu unserem Thema, von den Bild-Archetypen, die wir zu diesem Thema kennen. Aber das kann natürlich nicht das einzige Kriterium sein, sonst wäre es ja einfach. Dieses Bild ist aber obendrein spannend, beziehungsreich und in seiner Stimmung ambivalent.
Unten haben wir ein recht trübsinniges Setting. Fahles Licht, Asphalt, Baustellenbauten. Aber oben schauen wir in den Himmel. Der ist zwar auch trüb, aber trotzdem verheißungsvoll, und über dem Horizont ist ein hellerer Streifen zu erkennen. Diese Ambivalenz wird durch den Bus aufgenommen. Wir sehen nämlich, dass er durch eine Kurve fährt, und uns ist bewusst, dass wir nicht sehen können, wohin er fährt, denn er verdeckt sein Ziel. Die Komposition ist gar nicht ausgefuchst, zunächst denkt man, es gibt keine Komposition, aber doch: In diesem Bild geht es um den Fluchtpunkt, den Mittelpunkt des Bildes, das verdeckte Ziel des Busses - und das alles bleibt im Verborgenen!

Gut zu wissen, dass die Brücke nur von einem Kabelbinder gehalten wird. Ich werde sie in Zukunft meiden!
Zeichen, die der Zufall schuf. Aber die deshalb nicht weniger Bedeutung haben! Ich muss an den Fotografen Brassaȉ denken, der zu beginn des vorigen Jahrhunderts Paris fotografierte. Er entdeckte, dass die Bettler untereinander eine Art geheimer Schriftsprache entwickelt hatten und über Türen, an denen sie bereits gebettelt hatten, in dieser Schriftsprache Zeichen hinterließen, die über jene, die hinter diesen Türen lebten, und die zu erwartende Ausbeute Auskunft gaben. Brassai hat diese Zeichen in einer fotografischen Serie festgehalten. Die Kabelbinder erinnern mich daran. Auch dieses Bild hat eine ganz uns gar irdische und eine geradezu außergalaktische Dimension! :-)

von Cornelia

von Jörg

Es gibt hier ja ein Objekt, an dem wir nicht vorbei schauen können: Natürlich der Funkmast. Aber die Wirkung des Bildes hängt nicht an seinem Anblick allein. Das Bild ist sehr ungewöhnlich komponiert. Der Himmel ist sehr stark betont. Der Mast ist aus unerfindlichen Gründen stark an den linken Rand gerückt worden. Das Satteldach ist scheinbar mit Gewalt ins Hochformat gequetscht worden, so dass Giebelseite und Kamin gerade noch reinpassen.  Auf den ersten Blick kommt uns das alles etwas merkwürdig vor, unerklärlich. Aber es macht Sinn! Den Mast in die Mitte des Bildes zu setzen, wäre einer Verherrlichung dieser Technik gleichgekommen. So aber wird signalisiert: Wir wollen das eigentlich gar nicht sehen. Der Kamin macht die geradezu verstörenden Größenverhältnisse nochmal unmißverständlich deutlich. Außerdem stellt er noch ein zweites Gegensatzpaar auf: warm / kalt, Gemütlichkeit / Technik, Rückzug auf die Privatsphäre / Kommunikation mit der ganzen Welt. Und wir verstehen, dass in unserer Welt guter Empfang wichtiger ist als ein homogenes Stadtbild und der Erhalt unserer Baukultur, ob es uns gefällt oder nicht.

Es ist immer faszinierend, wenn etwas von hinten fotografiert wird, das dafür gedacht ist, von vorne angesehen zu werden. Man hat das unangenehme Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Außerdem scheint dies ja eine PROJEKTIONSFLÄCHE zu sein! Da werden sozusagen BILDER GEWORFEN! Und jetzt kommt noch die Sonne dazu und wirft mit Licht - von hinten auf die Projektionsfläche!

von Annette

Bild 9 - Uschi

Bild 11 - Uschi

Ich glaube nicht, dass ich es an Bemühungen habe mangeln lassen, Euch davon abzuhalten, Fahrbahn- oder Baustellenmarkierungen und Straßenschilder zu fotografieren. Uschi war ungehorsam, kommt aber hier mit zwei ganz ansehnlichen Ergebnissen daher: Bilder 11 und 9. Sie hat diese Baustellenmarkierungen so schamlos aber auch so treuherzig und unschuldig in Szene gesetzt, dass sie gar nicht mehr diesen billigen Symbolismus verbreiten, der mich sonst so stört. Vielmehr bekommen diese Elemente bei ungebrochener Signalwirkung etwas angenehm Universelles. Wir können nicht vergessen, was es ist, diese Gegenstände sind uns ja auch überaus vertraut, aber wenn man sie auf diesen Fotografien sieht, denkt man: Es könnte IRGENDWAS sein! Ein Mensch, eine Fischreiher*In, eine Rührschüssel ..., es ist eine UNIVERSELLE FIGUR - für ein universelles Narrativ. Das ist ein Plädoyer für beide Bilder. Als Favoritin wähle ich die 9, obgleich mir die 11 mehr liegt, vielleicht etwas zugänglicher ist. Die neun aber bringt die hier dargestellten Qualitäten einfach noch klarer auf den Punkt.

von Renate

In diesem Bild scheint es um die Verheißung bescheidenen Glücks zu gehen. Entspannung und Kontemplation (Bänke), Freizeit und Geselligkeit (der Grill), auswärts unterwegs sein (eine offensichtlich NICHT private Umgebung). Aber dem stellen sich zwei Dinge in den Weg. Ein übertriebener Ordnungssinn, der in diesen Breitengraden recht verbreitet ist und eigentlich ein Gegenentwurf zum sprichwörtlichen laissez-faire ist, der zur Ausgelassenheit ja dazu gehört, und natürlich die Leere, die Abwesenheit von Menschen, mit denen man dieses Glück genießen könnte.

Köln-Ostheim, im April 2021