Cinedom / Mediapark

von Alex

Eine Stadtlandschaft - in der Abenddämmerung, vermute ich. Zunächst erscheint uns das Motiv geläufig. Aber nein! Dieses Bild illustriert sehr pointiert eine Eigenschaft unserer modernen Zivilisation. Das Bild wird getragen von den 6 Masten, die wir sehen, und ganz besonders auch von ihrer Anordnung in unserem Bildraum. Die wirkt nämlich zum Teil planvoll und zum Teil willkürlich. Ich will nicht sagen, dass die Kirche vollkommen bedeutungslos ist, sie hilft vielleicht beim Verorten der Szenerie, aber am wesentlichen Inhalt des Bildes scheint sie wenig beteiligt zu sein.
Also: die zum Teil planvolle und zum Teil willkürliche Anordnung der Masten im Bildraum. Das erscheint mir so bedeutsam im Hinblick auf unsere zivilisatorisches, unsere wirtschaftliches Streben, unsere Kultur und wie sie die Oberfläche unseres Planeten geformt hat. Es entsteht hier ja eigentlich eine Skyline. Diese Skyline, auch weil die Komposition sehr eingängig ist, scheint SINN ZU MACHEN, eine Bedeutung, eine klare Aussage zu haben. Und gleichzeitig verstehen wir, dass die Anordnung dieser 6 Masten keinem Plan folgt! Zum Teil scheinen sie sogar schon außer Betrieb zu sein, aber immer noch prägen sie das Erscheinungsbild der Stadt. ES GIBT KEINEN MASTERPLAN! Oder man kann es auch anders betrachten: Der Masterplan besteht darin, dass die technische Infrastruktur IMMER Vorfahrt hat - komme, was wolle, Vorfahrt auch vor unseren ästhetischen Ansprüchen an unsere Städte. Und genau DAS beschreibt unsere Kultur.

Ich weiß nicht, ob das Absicht war, aber an diesem Bild besticht mich DER FEHLER, DIE ENTÄUSCHTE ERWARTUNG. Es ist ja offenkundig die Ansicht eines Fernsehturms. Mit offenkundig klassischen Stilmitteln umgesetzt. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Der Fernsehturm kann sich nicht gegen die Bäume durchsetzen! Nur fast! Und so hält uns das Bild in Atem - wie zwei Formel-1-Wagen, die am Ende eines Rennens auf der Zielgeraden absolut gleichauf auf das Ziel zu rasen! :-)

von Susann

von Susanne

Der Witz ist überraschend und unerwartet, aber er kommt recht solide rüber. Schön auch dieses Auge des Zyklopen / das stark stilisierte Gesicht über dem Menschenkörper. Ist das ein Selbstportrait?

Ich mag die Konsequenz dieses Bildes. Gut, die gestaffelte Anordnung, die Schatten, die den Säulen folgen, die leichte Richtungsänderung von einem Schatten zum nächsten, das ist nicht unbedingt neu, hier aber sehr schön auf den Punkt gebracht.

von Uschi

Ich mag dieses Bild. Es deutet so Vieles an - aber es spricht keinen Satz zu Ende! Ich denke allerdings, der Baum hätte scharf sein müssen, am besten Baum UND Plakat.

von Renate

Schön gesehen. Die Wurzeln mäandern wie das Amazonas-Delta. Und doch wollen wir gewiss nicht mit diesem Baum tauschen. Was normalerweise das Überleben eines Baumes sichern soll, scheint hier selbst vom sicheren Tod betroffen zu sei: Die Wurzeln.

von Renate

Was soll ich sagen: Der Traum von Ordnung ist einfach nie ausgeträumt. :-)

von Susann

Ich kann nicht ergründen, wie dieses Bild gemacht ist. Wir haben ein Hauptmotiv: Ein Mensch läuft über eine mit Steinen gepflasterte, im direkten Gegenlicht liegende Fläche von uns weg. Dann haben wir ein Naturmotiv, das in unterschiedlichen Graden von Deutlichkeit über dem ersten Motiv liegt. Hier ist deutlich das Raster eines Offsetdrucks zu sehen, also könnte dieses Naturmotiv gedruckt sein. Streckenweise leuchtet dieses Naturmotiv in einem Streifenmuster auf. Außerdem werden wir das Gefühl nicht los, dass auch eine Spiegelung im Spiel ist. Wahrscheinlich sehen wir auch noch Dinge, die sich hinter der spiegelnden Scheibe befinden. Ein Geländer? Ein Gebäude im Hintergrund? Aber das ist nicht wichtig! Weniger noch: Da die Herleitung dieses Bildes so offenkundig aussichtslos ist, fällt es uns umso leichter, sie beiseite zu legen und uns vielmehr auf das Bild als Ganzes einzulassen. Die Szene, die wir sehen, das Hauptmotiv, scheint unbedingt eine Geschichte zu erzählen, ist unergründlich und gleichzeitig bedeutungsvoll. Der Mensch, der sich von uns entfernt, hat nur Beine. Den Rest seines Körpers sehen wir nur in seinem Schatten angedeutet. Geheimnisvoll und träumerisch. Und das Gegenlicht! Und dann diese Streifen und die Rasterpunkte, die wir sehen: Hier kommt eine technische Dimension ins Spiel! Bis hierhin hätte es ein Gemälde sein können - ab dem Moment, in dem wir die Streifen und die Rasterpunkte wahrnehmen, sind wir in einem moderneren Fahrwasser - NEHMEN EIN MEDIUM WAHR! Aber hier spielt die Technik oder besser: DAS TECHNISCHE nur dem Geheimnis, dem Träumerischen in die Hände!

von Uschi

Wer den Mediapark kennt, erkennt in diesem Gebilde wahrscheinlich die Ziffer „7“, eine der überdimensionalen Hausnummern, die im Rund des Mediaparks vor den Gebäuden aufgestellt sind. Aber wir Kölner müssen hier einfach ein bisschen abstrahieren, um auf den universellen Gehalt des Bildes zu kommen, denn niemand, der hier nicht heimisch ist, würde dieses Gebilde richtig interpretieren. Also: Für uns ein abstraktes Gebilde. Die Komposition ist ein bisschen ungelenk, aber was das Licht mit und auf der Edelstahl-Oberfläche macht, das ist außerordentlich geheimnisvoll und spannend. Von der oberen Kante her scheint sich eine Lichtspiegelung auszubreiten, die auch die Oberflächenbeschaffenheit des Gebildes verrät. Weiter unten an der Ecke scheint sich eine andere Lichtquelle zu spiegeln. Dabei - das sehen wir, und es ist wichtig - sind wir draußen. Und der Himmel ist bewölkt. Nicht, dass es draußen kein Kunstlicht gäbe, aber in Verbindung mit dem bewölkten Himmel erwarten wir es nicht, was zum Geheimnis in diesem Bild noch beiträgt.

von Alex

Nochmal Kapitalismuskritik: Die Ware als Horizont.

von Susanne

Die Bilder ergeben zusammen eine ganz schöne Architektur-Reportage. Außerdem fällt hier auf, wie vorteilhaft die „Blaue Stunde“ für Architekturaufnahmen ist, denn in dieser Lichtsituation lassen sich sehr schön die Unterschiede zwischen Außenlicht und Innenbeleuchtung ausgleichen. Sieht man am schönsten beim Bild unten.

von Susanne

Nun, der Blick auf eine andere Welt, eine ganz andere, weit entfernte Welt. Aber durch die Vorhänge der diesseitigen Welt hindurch. Die Räumlichkeit, die durch die Säulen, deren Schatten und den vertikalen Absätzen in ihrem Corpus entsteht, ist leicht verwirrend. Erst die Anordnung der Säulen, die unten links im Bild sichtbar wird, verrät die räumliche Struktur. Es ist schön, dass der Vordergrund des Bildes, die diesseitige Welt, so abstrakt bleibt. So fokussieren wir uns umso mehr auf die jenseitige Welt, die wir durch diesen Spalt in unserer Welt erhaschen können.

von Uschi

Das ist ein vertrautes aber vollkommen abgefahrenes Motiv. In jeder Stadt anzutreffen, und sobald es dunkel wird, werden diese Fitness-Studios noch auffälliger, weil sie nächtens in der Stadt erstrahlen, aber auch, weil das, was dort passiert, nachts noch absurder wirkt als tagsüber. Diese Bereitschaft, sich Leistung abzuverlangen! Und wenn man wegen des 60-Stunden-Jobs erst um 22 Uhr nach Hause kommt ... - dann geht man eben um 23 Uhr ins Fitness Studio! Uschi hat das ganz unprätentiös abgelichtet - dem ist ja auch einfach nichts hinzuzufügen!

Auf Anhieb ein ganz gewöhnliches Bild, das wir glauben, genau so schon ein paar Mal gesehen zu haben. Wir haben den Kontrast zwischen Natur und Technik, der immer ein bisschen zieht, und wir haben einen Hauch von Bernd und Hilla Becher. Sie hätten die Türme vollständig abgebildet - deshalb nur EIN HAUCH. Es scheint uns auch ganz selbstverständlich, dass die drei Metalltürme „wie die Orgelpfeifen“ da stehen. Doch, wieso sollten diese drei gleichen Türme von unterschiedlicher Höhe sein? Das ist höchst unwahrscheinlich! Viel wahrscheinlicher ist, dass sie die gleiche Höhe haben und in einer Reihe aufgestellt wurden, und dass Renate ihnen „hinterher“ fotografiert hat, im spitzen Winkel zu der Türme-Reihe stand, so dass die Turmspitzen nun einem Fluchtpunkt zu laufen. So schleicht sich eine unerwartete Raumsituation in dieses so streng und statisch anmutende Bild.

von Renate

Das Bild ist witzig. Aber es ist besonders witzig, weil wir uns gerade in der Weihnachtszeit befinden. Der Weihnachtsbaum ist in jedweder Form in unserem Alltag omnipräsent und - seien wir ehrlich:  - ganz ganz weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus bemüht.  Dieses Bild vermittelt so eine Art Horrorvision, dass nämlich der Weihnachtsbaum nicht nur ÜBERALL ist, sondern auch dort wo er NICHT ist! :-)  

von Alex

Ich war neulich in einer kleinen Ausstellung einer Künstlerin, die ich mal als Kundin des Werkladens kennengelernt habe. Hei van Berg heißt sie. Ein großer Teil der Arbeiten bestand aus Collagen von recht streng angeordneten Flächen, in denen es aber stets eine kleine Störung gibt, eine minimale Ungereimtheit. Ich habe sogar eine der Arbeiten gekauft. Und dieses Foto erinnert mich an die Arbeiten. Man würde erwarten, dass es hier nur vertikale Linien geben kann. Aber diese eine Häuserkante weicht davon ab und bringt gehörig Spannung in dieses Bild.

DIE FEINHEIT! Schön gesehen, aber auch wirklich gut inszeniert: Ausschnitt, Helligkeit (= Dunkelheit), Farbigkeit.

von Susann

von Susanne

Nun, in diesem Bild steht ja vor allem ein ganz unerträglich banaler Augenmerk ganz unerträglich aufdringlich im Vordergrund. Susanne hat der Straßenbeleuchtung den Funkturm als Hut aufgezogen - oder dem Funkturm die Straßenlaterne als Rumpf verpasst, was es nicht besser macht. :-) Hier wird ja auch wieder - ich warnte Euch, das lieber nicht zu tun - mit einem Bildobjekt im Vordergrund auf ein Objekt im Hintergrund gezielt, was bei näherer Betrachtung in der Regel keinen Sinn ergibt, denn man kann ja im Prinzip mit allem auf alles zielen, dem sind nur durch die Erdkrümmung und gegebenenfalls ungeeignetem Wetter Grenzen gesetzt. A-B-E-R wir haben hier neben dem offenkundigen Augenmerk noch einen zweiten Point Of Interest, der hier still und heimlich mitschwimmt und doch ganz gut Strecke macht: Der Lampenschirm ist schief!!! Darüber lässt sich keinesfalls hinwegsehen. Und DAS ist nun ein FEINER Witz - Im Gegensatz zur bloßen Zusammenfügung von Funkturm und Laterne. Wir bekommen einen Hauch Reisbäuerin serviert, etwas klamaukenhaft, aber vor allem wird sehr frech und durchaus lobenswert die vermeintliche Grandiosität menschlicher Errungenschaft ins Lächerliche gezogen: Unseren Städtebau, Energie, Technik und Massenmedien, und die Telekom selbst kriegt auch tüchtig was ab! Herrlich!

Köln, Mediapark, im Dezember 2021